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Ein deutscher Papst!

l Kardinal Ratzinger gibt sich den Namen Benedikt XVI.
l Den päpstlichen Segen Urbi et Orbi gespendet
l Auf dem Petersplatz von den Gläubigen stürmisch gefeiert

Die beiden Nonnen klatschen Beifall, als weißer Rauch aus der Sixtinischen Kapelle aufsteigt.

Rom (dpa). Der deutsche Kardinal Joseph Ratzinger ist zum neuen Papst gewählt worden. Der 78-Jährige gab sich den Namen Benedikt XVI. Er ist nach 480 Jahren der erste deutsche Pontifex.
Kurz nach der Wahl gestern Abend wurde das neue Kirchenoberhaupt auf dem Petersplatz in Rom von den mehr als 100 000 Menschen stürmisch gefeiert.
»Liebe Schwestern und Brüder, nach dem großartigen Papst Johannes Paul II. haben mich die Herren Kardinäle als einfachen Arbeiter im Weinberg des Herrn zum Diener der Kirche gewählt«, sagte Ratzinger auf dem Balkon des Petersdoms. Er bat die Gläubigen um ihr Gebet und äußerte die Zuversicht, dass ihm Maria zur Seite stehen werde. Danach spendete er den päpstlichen Segen Urbi et Orbi (der Stadt und dem Erdkreis).
Die im Konklave versammelten 115 Kardinäle hatten sich für den Deutschen, der im bayerischen Marktl am Inn geboren wurde, vermutlich im vierten Wahlgang entschieden. Notwendig war eine Zweidrittelmehrheit, also mindestens 77 Stimmen. Die Entscheidung fiel nur 26 Stunden, nachdem die Papstwähler in die Sixtinische Kapelle eingezogen waren.
Um 17.50 Uhr stieg weißer Rauch aus dem Schornstein der Kapelle auf - die Entscheidung war gefallen. Zunächst schien unklar, ob es möglicherweise doch nur schwarzer Rauch gewesen sein könnte. Als Minuten später die Kirchenglocken Roms läuteten, blieb kein Zweifel mehr. Tausende Menschen strömten im Laufschritt zum Petersplatz, in den Straßen ertönte ein Hupkonzert. Der Verkehr brach streckenweise zusammen.
Ratzinger hatte bis zuletzt als ein Favorit gegolten. Er ist der 265. Papst in der Kirchengeschichte und der achte Deutsche auf dem Stuhle Petri. Der Papst ist das Oberhaupt von weltweit über einer Milliarde Katholiken.
Experten in Rom hatten nach drei ergebnislosen Wahlgängen schon über eine Spaltung der 115 Purpurträger in zwei Lager spekuliert. Ratzinger gilt wegen seiner theologischen Ansichten als konservativ, der die Linie von Johannes Paul II. fortsetzen dürfte. In der Messe vor der Eröffnung des Konklaves hatte er einer Anpassung des Glaubens an den Zeitgeist eine deutliche Absage erteilt und die »Diktatur des Relativismus« verurteilt.
Der neue Papst Benedikt XVI. hat nach den Worten des Kölner Kardinals Joachim Meisner seine Teilnahme am Weltjugendtag im August in Köln zugesagt. »Ich komme nach Köln«, habe ihm Joseph Ratzinger unmittelbar nach seiner Wahl zum Papst versichert, sagte Meisner in Rom. Die Wahl des neuen Papstes sei schwierig gewesen, berichtete Meisner aus dem Konklave. »Jetzt ist allen eine Last abgefallen.« Unmittelbar nach der Wahl sei Ratzinger die schwere Last anzumerken gewesen. »Dem Heiligen Geist gehorsam, sage ich zu dem Votum der Kardinäle Ja«, habe er geantwortet.
Bei der Wahl seines Namens habe sich Ratzinger auf Benedikt XV. bezogen, weil dieser »so viel für den Frieden zwischen den Völkern« getan habe. Der Münchner Kardinal Friedrich Wetter sagte zur Entscheidung für Ratzinger: »Ein Papst ist nicht dazu da, alle Probleme der Welt zu lösen. Er muss seine Aufgabe erfüllen.«
Der Trierer Bischof Reinhard Marx hat sich erfreut über die Wahl von Kardinal Joseph Ratzinger zum neuen Papst Benedikt XVI. gezeigt. »Ich habe dem Heiligen Vater im Namen des ältesten Bistums Deutschlands und auch ganz persönlich Gottes Segen gewünscht für sein Wirken als Nachfolger des Apostels Petrus«, sagte Marx nach der Wahl.
Der neue Papst Benedikt XVI. kann nach Ansicht des Osnabrücker Bischofs Franz-Josef Bode auch nach dem »großen Pontifikat« Johannes Pauls II. neue Akzente setzen. »Das würde ich ihm auf jeden Fall zutrauen«, sagte Bode, der auch Jugendbischof der Deutschen Bischofskonferenz ist. Die Eigenheiten des bisherigen Kardinals Joseph Ratzinger seien eine gute Voraussetzung für die Nachfolge. »Es werden sich sicher auch Geister daran scheiden, weil er konsequent seine innere Überzeugung lebt«, sagte Bode.
Angesichts seiner hohen Geistlichkeit und seiner Persönlichkeit könne der neue Papst das Erbe seines Vorgängers in eigenständiger Weise weiterführen, sagte der Bischof. Im Laufe der Zeit sei er allerdings durch seinen Dienst in der Glaubenskommission einen schweren Weg gegangen. »Aber er hat immer eine hochbegründete Meinung gehabt und nie nur Machtsprüche von sich gegeben«, betonte Bode. »
Bundespräsident Horst Köhler hat dem neuen Papst Benedikt XVI. Mut und Kraft gewünscht. »Dass ein Landsmann Papst geworden ist, erfüllt uns in Deutschland mit besonderer Freude und mit ein wenig Stolz«, sagte Köhler gestern in Berlin.

Artikel vom 20.04.2005