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Ohne Umsteigen nach Prag
Einst gekappte Bahnverbindung nach Tschechien wird wiederbelebt
Eine direkte Eisenbahnstrecke von München nach Prag - das hat es schon gegeben. Im 19. Jahrhundert wurde sie gebaut, im 20. Jahrhundert durch den Eisernen Vorhang getrennt, im 21. Jahrhundert sollen endlich die Früchte der Wiedervereinigung Europas geerntet werden.
Es werden freilich Bimmelbahnen sein, die zwischen Deutschland und Tschechien verkehren, aber die Zeiten stundenlangen Wartens beim Umsteigen sollen nächstes Jahr beendet sein. Dieses Jahr wird der Gemeinschaftsbahnhof von Bayerisch Eisenstein und Zelezna Rudá eine ganz normale Durchgangsstation werden. Momentan muss man den deutschen Zug noch verlassen, zu Fuß durch die Grenzkontrolle am Bahnsteig und kann dann in den tschechischen Zug steigen.
In Bayern wie in Böhmen wa- ren im 19. Jahrhundert Komitees entstanden. Während die Strecke von Pilsen über Klattau nach Eisenstein als »gesetzt« galt, wurden in Deutschland viele Trassen geprüft. Schließlich setzte sich die Variante Plattling-Zwiesel-Eisenstein durch. Nach dem Zweiten Weltkrieg war die Strecke zunächst nicht befahrbar. 1947 bauten Amerikaner dann eine Bretterwand auf dem Bahnhofsvorplatz, die die Grenze schloss.
Seit 1950 ruhte der Zugverkehr, 1951 mauerten die Tschechen ihren Bahnhofsteil zu und entfernten Gleise. Es dauerte bis zum 21. Mai 1990, dass der Trennzaun entfernt und die Gleisstücke wieder verbunden wurden. Am 2. Juni 1991 eröffnete Bundeskanzler Helmut Kohl den neu gestalteten Grenzbahnhof, zu dessen Passieren nun nur noch ein Personalausweis nötig war. Heute beherbergt der Bahnhof ein Restaurant, ein Museum der Waldbahn und ein Infozentrum des deutsch-tschechischen Nationalparks.
Verwirrung gibt es über die korrekte Bezeichnung der Landschaft. Mit dem Anwachsen der Bevölkerung entdeckte man in dem Wort »Böhmerwald« auch einen politischen Sinn. Der Begriff wird heute in dreifacher Bedeutung gebraucht.
Wissenschaftlich-geographisch ist der Böhmerwald ein Rahmengebirge beiderseits der Landesgrenze, das sich von der Donau bis zum Oberpfälzer Wald erstreckt. Die aus ihrer Heimat vertriebenen Böhmerwäldler, auch als »Sudetendeutsche« bezeichnet, sehen nur in ihrer ehemaligen Heimat den Böhmerwald. In Österreich wird allgemein das Gebirge nördlich der Donau - einerlei ob in Böhmen, Bayern oder Österreich - als »Böhmerwald« bezeichnet.
Auch der Begriff »Bayerischer Wald« sorgt für Irritationen: Im Zuge der »Aufklärung« um 1800 und auch aus patriotischen Gründen konnte es einen Böhmerwald auf bayerischem Gebiet nicht geben. So wurde in dieser Zeit der im Volksmund längst gebräuchliche Ausdruck »bairischer Wald« eingeführt. Unter »Bayerischer Wald« verstand und versteht man den Teil des Gebirges westlich der Landesgrenze auf altbayerischem Gebiet -ĂŠalso vom Dreiwappenfelsen bis zum Dreiländereck am Dreisesselberg und zur Dreiflüssemündung in Passau.
Und der tschechische Begriff »Cesky Les«? Ins Deutsche übersetzt heißt dieser Name »Tschechischer Wald«/»Böhmischer Wald«, jedoch nicht zu verwecheln mit dem Begriff »Böhmerwald«! Er liegt auf tschechischer Seite gegenüber dem Oberpfälzer Wald, der sich beim Dreiwappenfelsen an den Bayerischen Wald anschließt.(ta)

Artikel vom 23.04.2005