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»1,5 Millionen
Schulschwänzer
in Deutschland«

OWL: Schon 516 Bußgeldverfahren

Von Ernst-Wilhelm Pape
Detmold(WB). In Deutschland haben elf Prozent der Hauptschüler schon einmal mindestens einen Unterrichtstag lang die Schule geschwänzt. Das hat eine Umfrage des Deutschen Jugendinstituts (DJI) in München ergeben.

Nach Angaben der Bezirksregierung Detmold hat es im Schuljahr 2003/2004 in Sachen Schulschwänzer 516 Bußgeldverfahren gegen Eltern oder erwachsene Schüler gegeben. In hartnäckigen Fällen könne das Bußgeld bis zu 1000 Euro pro Verstoß betragen. Sonst seien es fünf Euro pro versäumtem Schultag. Im Bereich der Gymnasien, Realschulen, Gesamtschulen und Berufskollegs habe die Bezirksregierung 96 Verfahren eingeleitet, sagte Abteilungsdirektor Bernd Wesemeyer. Hier seien vor allem die Berufskollegs betroffen. Bei den Grund- Haupt- und Sonderschulen gab es insgesamt 420 Bußgeldverfahren: Stadt Bielefeld 60, Kreis Minden-Lübbecke 35, Kreis Herford 30, Kreis Lippe 6, Kreis Gütersloh 163, Kreis Höxter 84 und Kreis Paderborn 42.
Nach Angaben von Irene Hofmann-Lun vom DJI-Netzwerk »Prävention von Schulmüdigkeit und Schulverweigerung« seien in 13 Bundesländern 4000 Hauptschüler befragt worden. Die meisten Schulschwänzer waren 16 und 17 Jahre alt. Es gebe auch höhere Zahlen. Zum Beispiel gebe die Stadt Berlin die Zahl ihrer Schulschwänzer mit 18,5 Prozent an. Hofmann-Lun: »Bei den Schulschwänzern müssen wir von einer hohen Dunkelziffer ausgehen.«
Aufgrund dieser hohen Dunkelziffer schätzt der Jugendforscher Dr. Christian Palentien (Universität Bielefeld), dass in Deutschland 1,5 Millionen Schülerinnen und Schüler hin und wieder den Unterricht schwänzen. Das sei ein Drittel der Schülerzahl. Diese betrage ohne Grundschüler 5,2 Millionen. Besonders betroffen seien in den Haupt- und Sonderschulen die Gruppe der 13- bis 17-jährigen, sagte Palentien dieser Zeitung.
In den vergangenen Jahren habe es eine dramatische Zunahme der Schulschwänzer gegeben. Wenn Gespräche mit den betroffenen Eltern keine Wirkung zeigten und den Schülern keine Grenzen aufgezeigt würden, bestehe die Gefahr, dass aus dem »hin und wieder schwänzen« eine »regelmäßige Schulverweigerung« werde. Dies sei heute bereits bei mehr als 30 Prozent der Jugendlichen im Berufsgrundschuljahr der Fall. Aufgrund der Perspektivlosigkeit auf dem Ausbildungs- und Arbeitsmarkt werde der Unterricht nur noch besucht, wenn eine unmittelbare Verwertung des Stoffes möglich sei. Palentien: »Da gibt es Unterrichtsstunden in dem das Thema ÝWie bekomme ich einen Führerschein?Ü behandelt wird.« Die betroffenen Klassen an den Berufsschulen platzten bereits aus allen Nähten. Um die Verstöße gegen die Schulpflicht einzudämmen seien Sanktionen wie Bußgeldverfahren und polizeiliche Kontrollen in den Städten notwendig. In ländlichen Bereichen funktioniere hingegen oft noch die soziale Kontrolle von Nachbarn und Bekannten.
Die Stadt Hamm (30 570 Schüler) habe aktuell die Zahl der Schulschwänzer mit 900 angegeben. Diese Zahl sei beunruhigend.

Artikel vom 19.04.2005