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Herz der Fans schlägt
nur im »Runrig«-Takt

Schottischer Folk-Rock begeisterte im Ringlokschuppen

Von Gerhard Hülsegge
(Text und Foto)
Bielefeld (WB). »Beat the drums...« lautete die Botschaft der Gruppe »Runrig«. Und die Fans der schottischen Folk-Rock-Band, die seit 32 Jahren auf der Bühne steht, folgten ihrem Herzschlag (»...like a heart beats«). Sie pilgerten Samstag in den ausverkauften Ringlokschuppen, standen gerne Schlange, um sich fetzigen Gitarrensoli, berauschendem Gesang, romantischen Akkordeon- und Dudelsackklängen sowie kräftigen Trommelwirbeln hinzugeben.

Runrig ist Kult, nein keltisch. Sind doch viele Lieder in Gälisch verfasst, einer keltischen Sprache, die im Westen Schottlands noch heute gesprochen wird und Muttersprache der McDonalds-Brüder Calum (Percussion) und Rory (Bass, Gesang) ist, die nahezu alle Runrig-Songs schreiben.
Die Symbiose aus gälisch-keltischer Tradition und moderner Pop- und Rockmusik hat das Sextett in aktueller Besetzung mit Malcolm Jones (Gitarre, Akkordeon, Dudelsack), Iain Bayne (Schlagzeug, Percussion), Brian Hurren (Keyboards) und Bruce Guthro (Gesang, akustische Gitarre) zur führenden Folk-Rock-Band gemacht. Guthro gehört zwar erst seit 1997 dazu, ersetzt Donnie Munro (er schied nach 25 Jahren aus) aber mittlerweile so, als wäre es nie anders gewesen.
Runrigs Erfolg zu erklären ist müßig. Runrig ist Emotion pur, will Gefühle wecken und »kommunizieren«. Sie sind unbeugsam, doch voller Sehnsucht nach Harmonie und einer besseren Welt. Das Open-Air-Konzert der Musiker 1991 vor der malerischen Kulisse von »Loch Lomond« mit 45000 Besuchern geriet zum Höhepunkt ihrer Karriere. Ihr Arrangement des gleichnamigen Traditionals wurde zur Hymne und beendet seitdem jedes Runrig-Konzert. In Bielefeld gab`s jetzt noch einen drauf: »The Book of Golden Stories«, ein gefühlvoll vorgetragenes Lied zum Abschied.
Am 12. August 1995 spielten sie vor 70000 Besuchern im Vorprogramm der Rolling Stones auf Europa-Tournee (»Voodoo Lounge«) auch in Schüttorf. Viele Fans der noch immer »härtesten Rockband der Welt« kamen damals auf den Geschmack und schwenken, wie bei Runrig-Konzerten üblich, heute ebenfalls die schottische Fahne.
Runrig hatte als »Support Act« diesmal Gus Black aus den USA mit dabei. Der kalifornische Sänger und Songschreiber hat schon mit Oasis getourt und gibt jetzt mit seinem Album »Unavilized« seinen Einstand in Europa. Seine Lieder strahlen Gelassenheit und Souveränität aus, passen also perfekt in das Genre der Schotten-Rocker. Die Bielefelder genossen das »Warm up«.
Das Runrig-Album »In Search Of Angels« (erstmals mit Bruce Guthro) erreichte auf Anhieb Platz 26 der deutschen Charts. Es folgten »The Stamping Ground« und »Proterra« zum 30-jährigen Bühnenjubiläum. Vom ausverkauften Konzert auf der Promenade von Stirling Castle gibt es einen Live-Mitschnitt als erste DVD. Der Titel: »Day of Days«. Rechtzeitig zur Europatour 2005 ist das neue Best-Of-Doppelalbum »Long Distance« erschienen.
Im Ringlokschuppen sind alle relativ »nah dran«. Und feiern ihre Band - die sich freilich etwas wehmütig an die Konzerte der vergangenen Jahre im gemütlichen PC 69 erinnert - wie gewohnt frenetisch und voller Hingabe, in Jeans wie im textilen Schottenrock. Textsicher übernehmen sie gerne den Gesangspart (»There must be a place under the sun...«), schwenken Wunderkerzen und erklatschen sich am Ende noch drei Zugaben. Zugegeben, viel Neues war nicht im Repertoire Aber: Auch guter Whisky schmeckt eben immer wieder köstlich. Trotzdem ist nach zwei Stunden alles vorbei und Runrig verabschiedet sich beeindruckt und mit einem Kompliment: »Thank you, Bielefeld - das Beste an Runrig seid ihr«. »Danke, Runrig« kolportiert der nicht enden wollende Applaus. »Untill next time..«, wenn es wieder heißt: »Schlag die Trommeln«.

Artikel vom 18.04.2005