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»Bußgeld? Das kommt gar nicht in die Tüte«

Händler Laustroer gibt zuviel Ware und erhält vom Eichamt dicke Rechnung über 250 Euro

Von Uwe Koch (Text)
und Bernhard Pierel (Foto)
Bielefeld (WB). Wenn Reinhard Laustroer launig »darf's ein bisschen mehr sein?« fragt, wissen seine Kunden Bescheid: Beim Markthändler aus Schloß Holte-Stukenbrock kommt immer ein wenig mehr Ware in die Tüte. Ohne Aufpreis! Doch die Art des Wiegens passt ausgerechnet dem Eichamt Bielefeld nicht.

Prompt bekam der Kaufmann ein saftiges Bußgeld: Für verkaufte Champignons im Wert von 2,50 Euro soll der Mann 250 Euro an Vater Staat zahlen.
Der Markthandel liegt bei den Laustroers in der Familie: Seit einem halben Jahrhundert sind die Kaufleute auf Bielefelder Märkten zu finden und bedienen dort stets zufriedene Kundschaft. »Vater hat immer gesagt: tut mehr in die Tüte, dann sind die Kunden auch zufrieden«, verrät Reinhard Laustroer die Verkaufsphilosophie.
Genauso packte er am 8. Januar auf dem Kesselbrink die Champignons für den Bielefelder Thomas Niekamp ab. Der städtische Angestellte hatte 500 Gramm der feinen Sennepilze geordert, die bei Laustroer zum Kilopreis von fünf Euro zu haben sind. In die Papiertüte kamen - ganz klar - einige Pilze mehr. Insgesamt lagen inklusive der Verpackung 515 Gramm auf der Waage. Thomas Niekamp bezahlte zwei Euro und fünfzig Cent.
Während der Kunde mal wieder hochzufrieden einen Stand weiterging, wieherte an Reinhard Laustroers Stand der Amtsschimmel. Ein Mitarbeiter des Eichamtes Bielefeld hatte die Pilzaktion beobachtet und monierte nun die Wiegemodalitäten. Auf den Einwand des Beamten, das sei nicht mit rechten Dingen zugegangen, wollte Reinhard Laustroer sofort sein seriöses Geschäftsgebaren beweisen und rief den Kunden Niekamp an seinen Stand zurück. Ergebnis: In der Tüte waren netto 505 Gramm Champignons. Laustroer nahm einzelne Pilze heraus, brachte das Gewicht auf exakt ein halbes Kilo und gab dem belustigten Kunden die Papiertüte zurück.
Beim »Landesbetrieb Mess- und Eichwesen Nordrhein-Westfalen, Betriebsstelle Eichamt Bielefeld« indes wurde der Kaufmann gewogen und für zu leicht befunden. Zehn Tage nach dem Champignon-Fall hagelte Laustroer ein happiger Bußgeldbescheid ins Haus: 250 Euro soll er löhnen, weil er »beim Verkauf das Gewicht der Papiertüte (15 gr.) nicht tariert« habe.
Reinhard Laustroer stuft das Beamtenschreiben als »Quatsch« ein. Grundsätzlich wisse er aus Erfahrung, dass die Papiertüte für Pilze knapp zehn Gramm wiege. Das werde auch beim Wiegen berechnet. Ob nun Pilze, Spargel oder Brunnenkresse: »Wir legen immer ein bisschen Ware drauf, berechnen den Kunden aber nur das verlangte Gewicht.« Auf den Märkten auf dem Kesselbrink, in Schildesche und auf dem Siegfriedplatz habe er »zu 95 Prozent zufriedene Kundschaft«, die bei ihm gerne Ware aus der Region kaufe. Der Kaufmann hat Einspruch eingelegt, und dem Termin vor dem Amtsgericht am 24. Mai sieht er gelassen entgegen. Reinhard Laustroer: »Deshalb kommt der Bußgeldbescheid auch gar nicht in die Tüte.«

Artikel vom 16.04.2005