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Spielen wie Robert De Niro

Sarah Mechels »Kultursalon« zeigt erstes Schauspiel der »Saratov Group«

Von Matthias Meyer zur Heyde
Bielefeld (WB). Dustin Hoffman und Robert De Niro wurden berühmt dank des »Method Acting«. Auf welches Niveau diese spezielle Schauspielausbildung selbst Laien hebt, zeigte am Samstagabend eine eindrucksvolle Aufführung in den »Theatre Studios«.

Herkömmliche Schauspieler lernen, Emotionen mit Hilfe eines definierten Methodenkanons darzustellen. Der Method Actor andererseits ist gehalten, seine eigenen Erfahrungen und Gefühle, seine komplexe Persönlichkeit in die Rolle einfließen zu lassen. »Die fiktive Figur und der reale Künstler verschmelzen zu einer besonders glaubhaften Gesamtperson fern aller blutarmen Stereotype«, erklärt Studio-Chefin Sarah Mechel, die früher die »Tribühne« leitete und seit acht Jahren an der Markgrafenstraße 3 residiert.
Drei Beweggründe führen Menschen ab 18 in die »Theatre Studios«: Leute auf der Suche nach Selbsterfahrung, Schauspielinteressierte, die sich mit dem Gedanken tragen, an einer Schauspielschule vorzusprechen, und fortbildungswillige Amateure. Die »bioenergetische« Ausbildung dauert mindestens ein halbes Jahr.
Bislang bekamen geladene Gäste im »Kultursalon« regelmäßig die Ergebnisse der Kurse zu sehen. Jetzt wurde mit dem »Unsichtbaren Garten«, einem romantischen Stück nach Romain Weingartens Erzählung »Der Sommer«, unter der Regie von Frank Solomon-Neumann erstmals ein komplettes Schauspiel aufgeführt. 50 Besucher fasst der Bühnenraum.
Die Darsteller formen die neu gegründete »Saratov Group«, benannt nach einem zwischen Berlin und der Ukraine verkehrendem Express-Zug, einem Symbol für die Brückenfunktion zwischen den Kulturen dort, zwischen Schauspieler und Rolle hier. »Wir wollen einen Spielplan erarbeiten und ein richtiges Programm erstellen«, kündigt Sarah Mechel an, die erst kürzlich - »nach langer Zeit erstmals wieder als Schülerin!« - die berühmte Method-Acting-Schule in New York besuchte.
Das allererste Ensemble der »Saratov Group« besteht aus Karina Holländer (36) und Christiane Niehoff (29), aus Jochen Schlüter (36) und Alexander Schnellbach (24), der jetzt beschlossen hat, Profi zu werden; er spricht derzeit vor. Das Quartett spielt im »Unsichtbaren Garten« das Geschwisterpaar Lorette (Holländer) und Simon (Schnellbach) sowie zwei ziemlich zickige Katzen. Gemeinsam beobachten sie - heimlich - ein Liebespaar.
Bioenergetik hin, Method Acting her - die Ausbildung hat reiche Früchte getragen. Es bedarf keines Katzenkostüms und keiner Maske, um in Jochen Schlüters (»Kirschentupfer«) und Christiane Niehoffs (»Ihre Zwiebeldurchlaucht«) hinreißender Darstellungskunst den mal verspielten, mal böse fauchenden, immer ein wenig selbstverliebten Stubentiger wiederzufinden, den jeder von uns kennt (und in sich wiedererkennt!). Das Duo schnurrt und miaut und kratzt und schnappt wie es Partykätzchen und Salonlöwen zu tun pflegen, und in ihrer Mimik spiegelt sich die unstillbare Neugier auf alles, was sich bewegt in dieser Welt.
Auf der anderen Seite meistert Karina Holländer sehr sicher die schwierige Gratwanderung zwischen mädchenhafter Naivität und erwachender Fraulichkeit. Ausdrucksstark manövriert sich da ein bezopfter, kichernder Backfisch und, zum romantischen Ende, eine resolute Braut durch einen erotisch aufgeladenen Sommer.
In der Rolle von Lorettes minderbemitteltem Bruder Simon zieht Alexander Schnellbach alle Register. Linkisch tapert er durch die Welt der blitzgescheiten Alles-Merker, reißt angestrengt die Augen auf, wenn ihn die Welt - immer wieder aufs Neue - überrascht, und grinst verlegen, sobald ihm mal ein kleiner Coup geglückt ist. Und das, ohne die geistig zu kurz Gekommenen in unserer Mitte als Knallchargen vorzuführen, sondern dezent und höchst einfühlsam. Eine Karriere als Schauspielprofi wäre ihm durchaus zu wünschen.
Weitere Vorstellungen: 20./21., 27. und 30. April, 6./7. sowie 13./14. Mai, jeweils um 20 Uhr. Karten im Vorverkauf telefonisch unter 6 27 07.

Artikel vom 19.04.2005