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Das Wort zum Sonntag

Von Pfarrer Dr. Dr. Markus Jacobs


»Liebst du mich mehr als die anderen«?
Es gibt Fragen, die stellt man besser nicht. Entweder wirken sie peinlich, oder sie sind in der Öffentlichkeit unbeantwortbar. Fragen Sie zum Beispiel mal jemanden: Glaubst du »mehr« als ein anderer? Wie soll der denn seinen Glauben vergleichen? Ich selbst dürfte mir auf jeden Fall nicht die Blöße geben, mit »Ja« oder »Nein« zu antworten. Denn wie soll ich wissen, wie der Glaube des anderen aussieht? Ich will mich doch nicht erheben. Das soll Gott selbst beurteilen . . .
Wir stehen jedoch vor dem Faktum, dass Jesus selbst - nach dem Zeugnis der Heiligen Schrift - eine solche eigentlich ungehörige Frage stellt. Sie lautet: »Liebst du mich mehr als diese (anderen umstehenden Jünger)?« Es folgt eine peinliche Situation für den Angesprochenen. Wie soll er darauf antworten? Nur auf Kosten der Weggefährten könnte er »Ja« sagen. Wenn er aber »Nein« sagt? Dann hätte er im Wettbewerb um die immer größere Liebe bereits klein beigegeben.
»Liebst du mich mehr als diese?« Diese fast ungehörig wirkende Frage richtet Jesus an Petrus. (Joh. 21, 15ff.) Petrus windet sich daraufhin. Er will sagen, dass er liebt, ja! Aber er möchte die anderen nicht herabsetzen. »Ja, Herr, du weißt, dass ich dich liebe.« Nüchtern betrachtet darf man sagen: Die menschliche Antwort ist für uns nachvollziehbar, die göttliche Frage befremdet!
Doch Jesus scheint dies nicht zu stören. Er bindet sogar an diese Frage einen Auftrag, nämlich: »Weide meine Lämmer.« Anders ausgedrückt: Petrus soll sich um die Herde der Glaubenden kümmern, die ihren sichtbaren Hirten in der Welt mit dem Tod und der Auferstehung Jesu verloren hatte.
In wenigen Tagen beginnt das Konklave, ein neuer Papst muss gewählt werden. Die eigentümliche Stellung des Petrus im Kreis der anderen Apostel findet damit wieder eine neue Fortsetzung. Denn in einem vielschichtigen geschichtlichen Prozess ist aus den verstreuten Aussagen Jesu über »mehr Liebe«, »Stärkung der Brüder« und »Felsen, auf dem ich meine Kirche bauen werde« das Papstamt geworden. Einerseits soll der Papst wie Petrus ein Gleicher unter Gleichen sein. Andererseits wird von ihm doch mehr verlangt.
Im Grunde hat Jesus die Spannung des Papstamtes in seiner eigenen Frage auf den Punkt gebracht: »Liebst du mich mehr als diese?« Was Menschen peinlich und unpassend vorkommt, gehört offenbar zum gottgewollten Wettlauf der Liebe, der auch neue Verantwortungen erzeugt. Die Wahl wird den Kardinälen nicht leicht fallen. Wie soll man den finden, der bereit ist, sich neuerlich der Frage zu stellen: »Liebst du mich mehr als diese?« Der gerade beerdigte letzte Papst hat sich in diesen Weltlauf hineinrufen lassen. Sein Lebenswerk, besonders seine Friedenskraft, haben in unserer Welt Spuren hinterlassen - eben Spuren von »mehr Liebe«.
Die Christen weltweit brauchen nicht nur auf den weißen Rauch zu warten. Personalentscheidungen werden seit Anfangszeiten der Kirche von den Gläubigen begleitet: »Da fasteten und beteten sie, legten ihnen die Hände auf und ließen sie ziehen.« (Apg. 13,3) Wenn Sie sich während der Tage des Konklaves an Ihr inneres Mitwirken erinnern wollen: Legen Sie sich einfach einen Stein auf den Küchentisch, auf den SchreibtischÉ Denn Petrus kommt vom griechischen Wort »petros« = Fels. Fällt dann Ihr Blick zwischendurch auf diesen Stein, können Sie kurz innehalten. Beten Sie dann für eine gute Entscheidung, nicht einfach für einen begabten Bischof in diesem Amt, sondern um das Mehr an Liebe.

Artikel vom 16.04.2005