15.04.2005 Artikelansicht
Ausschnitt Zeitungsausschnitt
Drucken Drucken

 

Gudrun Pausewang Ñ keine »Märchen-Oma«


Sennestadt (mcs). Dass sie im Alter von 77 Jahren noch genau weiß, was Teenager denken und fühlen, stellte Jugendbuchautorin Gudrun Pausewang am Mittwoch bei einer Lesung in der Aula der Sennestädter Hans-Ehrenberg-Schule unter Beweis. Streitbar-eloquent sprach die resolute ehemalige Lehrerin vor 150 Zuhörern über Rechtsradikalismus, Gefahren der Atomkraft und Armut in Südamerika.
Auch wenn Gudrun Pausewangs schlichtes, unauffälliges Auftreten bei vielen Zuhörern zunächst die Erwartung näherte, eine beschauliche Vorlesestunde geboten zu bekommen, führte die Autorin das ihr übergestülpte Image einer unreflektierten »Märchen-Oma« schnell ad absurdum. Sie machte bald klar, dass ihre Texte nicht diskussionslos konsumiert werden sollen. Dass sie vielmehr aufrütteln möchte, indem sie zu wichtigen Problemen Stellung bezieht, um ihr Publikum so zu motivieren, sich selbst eine eigene Meinung zu bilden.
»Ich versuche immer, meine Leser ernst zu nehmen«, beschrieb Gudrun Pausewang eine Maxime ihrer Arbeit. Dann könne sie der zumeist jugendlichen Zielgruppe auch einiges zumuten Ñ oft jenseits von gängigen »Heile-Welt«-Klischees, die ihrer Meinung nach nicht der Realität entsprechen. 82 Mal hatte die Schriftstellerin mit dieser Taktik bereits Erfolg. Denn so viele Bücher hat sie in den vergangenen 50 Jahren geschrieben. Neben Lob und unzähligen Preisen für ihre Arbeit muss sie dabei aber bisweilen auch Kritik hinnehmen. Pausewang: »Meine Atomenergie-kritischen Bücher "Die Wolke"â und "Die letzten Kinder von Schwewenborn" provozierten neben anonymen Schimpfereien offen Proteste von der angegriffenen Stromindustrie.«
Äußerst sympathisch, gewann während der Lesung immer wieder Gudrun Pausewangs frischer Humor die Oberhand über den erhobenen »moralischen Zeigefinger«. Dies wurde etwa deutlich, als sie fröhlich lächelnd erzählte, wie sie mit 70 (!) Jahren in Frankfurt promovierte, um so nach Jahrzehnten das Germanistik-Studium zu beenden, das sie abgebrochen hatte, als sie ihren Mann kennen lernte.
Uneingeschränktes Lob für ihre Arbeit erntete Gudrun Pausewang von Steffen Boberg, Miriam Brockmann, Julia Eikenbusch, Jana Henning, Kai Kriescher, Anna Mayer, Pia Rottschäfer, Lara Schlenkhoff und Suma Windisch. Im Wahlpflichtfach Deutsch-Geschichte bei Lehrer Reiner Froböse hatten die Zehntklässler Referate zu verschiedenen Pauswang-Büchern erarbeitet, die sie dem Publikum in einer Einführung vorstellten.
Souverän zeichneten die Jugendlichen dabei ein vielschichtiges Bild der Autorin, die sich in ihren Werken neben Umweltproblemen auch mit ihren Erlebnissen im zweiten Weltkrieg und den Eindrücken mehrerer Südamerikaaufenthalte beschäftigt. Speziell für das couragierte Vortragen von Bewertungen zu Gudrun Pausewangs Werken, noch dazu vor den Ohren der Autorin, ernteten die Jugendlichen Ñ wie im folgenden Gudrun Pausewang selbst - reichlich Beifall.

Artikel vom 15.04.2005