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Kampf der Schwerkraft
gegen Fliegerträume

Mehrere tausend Menschen erleben die »Feuervögel«

Von Burgit Hörttrich (Text) und Hans-Werner Büscher (Fotos)
Bielefeld (WB). Mehrere tausend Menschen wollten sie sehen, die Parade der tollkühnen Flieger mit ihren mehr oder weniger fliegenden Kisten.

Sechs Piloten wetteifern in der spektakulären Inszenierung »Firebirds - Feuervögel« des Theater »Titanick«, einer Gruppe aus Leipzig und Münster, gestern Abend auf dem Betriebsgelände der Stadtwerke um die Gunst des Bielefelder Publikums: »Wer hat die schönste Flugmaschine? Wer wird sich als erster in die Lüfte erheben?« Feuereffekte und Mini-Explosionen sind Antrieb für ihre grotesken Flugversuche in den bizarren Maschinen. Die Last der Schwerkraft ist es, die die sechs Helden (Jürgen Assmann, Kascha Borgmann, Michael Hain, Thomas Kuhnert, Barbara Mayreder, Matthias Stein) abschütteln wollen. Derweil wacht der »Schwarze Engel« über seinem Revier. Was die Flieger aber nicht dazu bringt, Neid und Eifersucht abzulegen und sich gegen den übermächtigen Feind zu verbünden.
Es riecht nach Pech und Schwefel, es knallt und blitzt, Flammen schlagen hoch. Der Russe hat immer die Wodka-Flasche am Mann, der Teutone hat sein Fluggerät mit Stehlampe, Samtsessel und Sektkühler ausgestattet, »Mary Poppins« kommt mit Spitzenparapluie und in (altmodischer) Rüschenunterwäsche statt Fliegerkluft. . .
Verstärkt wurde das Ensemble des Theater »Titanick« von schauspielbegeisterten Bielefeldern, die in einem mehrtägigen Workshop zu Bodenpersonal ausgebildet wurden. Und die - nach der Begrüßung durch Oberbürgermeister Eberhard David und Stadtwerke-Chef Wolfgang Brinkmann - zunächst einmal die Abflugrampe per Besen reinigen mussten.
Bereits zum zweiten Mal bildete das Heizkraftwerk mit seinen farbig angestrahlten Kühltürmen und dem Schornstein die grandiose Kulisse für ein Open Air-Spektakel - nach »Ab in die Mitte!« im Herbst 2003 diesmal immerhin bei trockenem, sogar angenehm mildem Wetter. Veranstalter des feuersprühenden, musikalischen Abends sind Kulturamt und Stadtwerke; Anlass: das 50-jährige Jubiläum der Fernwärme in Bielefeld. Deshalb war gestern Abend der Eintritt kostenlos. Und alle die, die nicht dabei waren, haben heute, Samstag, 20.30 Uhr, noch eine Chance: Dann lässt »Titanick« die Feuervögel noch einmal starten. Wieder umsonst fürs Publikum. Ob es dem Schwarzen Engel, der an einem Kran hängend über das gesamte Gelände »fliegt«, gelingt, die tollkühnen Piloten in ihren brüchigen Kisten gegeneinander aufzuhetzen, ob er das Spiel, das er treibt durchhält und ob es einem der Flieger wirklich gelingt, sich zum Klang der Musik in die Lüfte zu erheben, das sei hier noch nicht verraten. Nur so viel: Es wird ein lyrisches Ende, ein überraschender Ausgang.
Und am Ende gab es Applaus, Applaus, Applaus. und noch eine Bratwurst, eine Portion Pommes-Mayo und ein Bier oder zwei oder drei beim Catering am Ausgang.

Artikel vom 16.04.2005