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Studenten bekommen sogar ein Gehalt

Bei gleichzeitigem Studium an einer Hochschule und im Unternehmen - keine Ferien, aber Urlaub

Bielefeld/Leipzig (WB). Ausbildungs- und Arbeitsplätze sind zurzeit keine Selbstverständlichkeit, auch nicht für Jugendliche mit guten Schulabschlüssen.
Studienalltag in der Kombi-Ausbildung: Matthias Alsmann (li.) und Martin Menzer tauschen sich über ihren Praxisversuch zur optischen Nachrichtenübermittlung aus. Foto: Deutsche Telekom
Auf der Suche nach dem schnellen Berufseinstieg entdecken immer mehr Schulabsolventen so genannte unternehmensintegrierte Studiengänge mit zwei Studienorten - Hochschule und Betrieb.
Die Unternehmen wählen den jungen Nachwuchs für die praktische Ausbildung mittels Aufnahmeprüfungen aus, schicken sie zum Studium und bezahlen ihnen ein Gehalt. Danach steht den Absolventen die Welt offen.
Matthias Alsmann ist privilegiert. Denn im Gegensatz zu den meisten Mitbewerbern um die raren Arbeitsplätze in Deutschland hält er nach drei Jahren Studium gleich zwei Trümpfe in den Händen: den Bachelor, seinen ersten akademischen Grad, und drei Jahre praktische Berufserfahrung.
Wie das geht? Der 21-Jährige hat einen Arbeitsplatz bei der Telekom-Tochter T-Systems International in Würzburg. Mit seinem Eintritt in den Telekom- Konzern konnte er sich gleichzeitig bei der Fachhochschule der Deutschen Telekom in Leipzig immatrikulieren. Alsmann wählte die Fachrichtung Telekommunikationsinformatik mit dem Abschluss Bachelor of Engineering.
Die 500 Kilometer Entfernung zwischen Arbeits- und Studienort überwindet der studierende Mitarbeiter mittels eines ausgeklügelten Lehr- und Lernkonzeptes, bestehend aus Selbstlernphasen, E-Learning, Studienbegleitprogramm in der Praxis und kompakten Präsenzveranstaltungen an der Hochschule. »Der Hauptvorteil im Vergleich zum klassischen Studium liegt im starken Praxisbezug. Ich bin von Beginn an in den betrieblichen Prozess integriert«, sagt Alsmann. Für ihn sei das eine ganz andere Lernmotivation als beim reinen Studium. »Ich weiß, wozu die Theorie gut ist, denn ich kann das Wissen in der Praxis gleich anwenden.«
Der Preis für diese Form des Studierens: Semesterferien gibt es keine, nur 30 Tage Jahresurlaub wie seine Kolleginnen und Kollegen in Würzburg und einen straffen Studienplan, der die Studenten auch während ihrer regulären Arbeitswoche fordert. Alsmann: »Wir haben quasi eine 50- bis 60-Stundenwoche«.
Aber die Anstrengungen lohnen sich: Neben besten Chancen auf dem Arbeitsmarkt schlägt ein weiterer Aspekt im wahrsten Sinne des Wortes zu Buche, wie Telekom-Studentin Elvira Loßin aus Leipzig erzählt: »Ich habe mein eigenes Gehalt, eine eigene Wohnung und bin nicht mehr auf die Hilfe der Eltern angewiesen.« Die 21-Jährige studiert und arbeitet bei der T-Com in Leipzig. Zusammen mit Matthias Alsmann gehört sie seit 2003 zum ersten Jahrgang dualer Studenten der Deutschen Telekom, die bundesweit verteilt arbeiten und an den Fachhochschulen in Leipzig und Bielefeld ihren Bachelor erwerben. Sie eint das Ziel, schnell eine gute Ausgangssituation für ihren Start in das Berufsleben zu erlangen.
In der sehr zielgerichteten Organisation des eigenen Werdegangs sieht der Jugendforscher Prof. Klaus Hurrelmann aus Bielefeld einen Trend. Er beobachtet, dass die Karriere jungen Menschen immer wichtiger werde. »Das ist eine Reaktion auf den Arbeitsmarkt. Den Jugendlichen ist klar, dass sichere berufliche Positionen ein knappes Gut geworden sind.«
Allerdings kommt ihnen die demografische Entwicklung entgegen. Da immer weniger junge Menschen nachwachsen, wird Deutschland ab 2010 einen Fachkräftemangel haben. Auch deshalb engagieren sich immer mehr Unternehmen im Bereich der Nachwuchsförderung und investieren selbst in Studiengänge. 41000 Studenten sind inzwischen nach Angaben des Instituts der deutschen Wirtschaft in Köln in 531 Studiengängen bei gleichzeitiger praktischer Ausbildung im Unternehmen eingeschrieben - Tendenz steigend.

Artikel vom 16.04.2005