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Visa-Erlasse waren abgestimmt

Außenamts-Beamter auf der Zeugenbank - Innenministerium beteiligt

Berlin (Reuters/dpa). Die umstrittenen Erlasse zur Visa-Vergabe aus dem Jahr 1999 haben einem als Zeugen vor dem Untersuchungsausschuss in Berlin geladenen Mitarbeiter des Auswärtigen Amts zufolge die Visa-Vergabe nicht missbrauchsanfälliger gemacht.

Zudem seien die von der Opposition heftig kritisierten Erlasse wie auch Teile des Volmer-Erlasses eng mit dem Bundesinnenministerium abgestimmt gewesen, sagte Stephan Grabherr, der vom Sommer 1997 an als Referent im Visa-Referat tätig war, gestern im Ausschuss. Der Erlass vom 15. Oktober 1999 habe sich einzig und allein auf die vom ADAC angebotene Reiseschutzversicherung, den Carnet de Touriste (CdT), bezogen, sagte Grabherr.
Es sei seitens seines Hauses davon ausgegangen worden, dass der ADAC und seine Partnerorganisationen die Antragsteller sorgfältig auswählten und sich alle Unterlagen vorlegen ließen, um die Rückkehrbereitschaft festzustellen. Die Auslandsvertretungen seien bei Missbrauchsverdacht nicht von ihrer Pflicht entbunden gewesen, den Reisezweck des Antragstellers zu überprüfen. Außerdem hätten die Antragsteller weiter persönlich bei den Auslandsbehörden vorstellig werden müssen.
Der Erlass vom Oktober 1999 gab vor, dass bei CdT-Inhabern »in der Regel auf die Vorlage von weiteren Unterlagen zum Zweck der Reise, zur Finanzierung sowie im Regelfall auf weitere Nachweise zur Rückkehrbereitschaft« verzichtet werden kann. Vorausgegangen war zudem ein Erlass im September des selben Jahres, wonach ein Visum nicht allein deswegen verweigert werden darf, weil die Bonität des Gastgebers durch die Ausländerbehörde in Deutschland nicht geprüft worden war.
Außenminister Joschka Fischer selbst hatte eingeräumt, dass die Erlasse aus dem Herbst 1999 ein Fehler gewesen seien.
Grabherr betonte, der Erlass vom September, den er als Referatsleiter gebilligt habe, sei eng mit dem Bundesinnenministerium »entwickelt und abgestimmt« worden. Auch der zweite Erlass habe auf einer breiten Basis der Ressorts des Bundes und der Länder beruht. Auch der Volmer-Erlass vom März 2000 sei in Teilen mit dem Innenministerium abgestimmt gewesen, seines Wissens jedoch nicht der umstrittene Satz »Im Zweifel für die Reisefreiheit«.
Der AA-Mitarbeiter wollte sich nicht festlegen, wer den Vorrang für die Reisefreiheit festgelegt habe und ob diese direkt vom ehemaligen Staatssekretär Ludger Volmer stammt. Der Zeuge räumte ein, dass es Beschwerden von Botschaften über den Erlass gegeben habe - neben Kiew etwa aus Moskau, Neu-Delhi und Eriwan.
Der SPD-Obmann im Ausschuss, Olaf Scholz, zeigte sich gestern überzeugt, dass die sachlichen Ausführungen des Zeugen dazu beitragen werden, die Aufregung in der Visa-Affäre zu reduzieren. CDU-Obmann Eckart von Klaeden wies diese Darstellung zurück. Die Bundesregierung habe die Reiseschutzversicherung mit dem CdT völlig umgewidmet und aus ihr einen generellen Nachweis für Reisezweck und Rückkehrbereitschaft des Antragstellers gemacht.
In einem Schleuser-Prozess vor dem Landgericht Münster bezweifelte gestern ein früherer Diplomat der deutschen Botschaft in Kiew die Bedeutung des »Volmer-Erlasses« für den massenhaften Visa-Missbrauch ukrainischer Bürger. Die umstrittene Passage »in dubio pro libertate« - »im Zweifel für die Reisefreiheit«Ê- habe bereits vor dem Erlass gegolten und sei auch angewandt worden, sagte der frühere Leiter der Notenstelle der Botschaft, Christian Nesyt als Zeuge aus. »Das war schon immer so und ist heute auch noch so.«

Artikel vom 15.04.2005