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EU-Haftbefehl
bleibt umstritten

Richter stellen kritische Fragen

Karlsruhe/Luxemburg (dpa). Im Streit über den Europäischen Haftbefehl gerät die Bundesregierung in Bedrängnis. Am zweiten Tag der Anhörung vor dem Bundesverfassungsgericht ist ihr Bevollmächtigter Johannes Masing gestern mit zahlreichen kritischen Äußerungen von der Richterbank konfrontiert worden.

Die Bedenken aus den Reihen des Zweiten Senats galten vor allem der Frage, ob im vereinfachten Auslieferungsverfahren nach dem Europäischen Haftbefehl noch ein wirksamer Rechtsschutz für deutsche Staatsbürger gewährleistet ist.
Unterdessen versuchte Bundesjustizministerin Brigitte Zypries (SPD) die Sorgen über die Auseinandersetzung um den europäischen Haftbefehl vor dem Bundesverfassungsgericht auf EU-Ebene zu zerstreuen. Sie wolle ihren europäischen Amtskollegen über die Verhandlungen in Karlsruhe berichten, sagte Zypries in Luxemburg. Sie habe den Eindruck, das der EU-Rahmenbeschluss zum Haftbefehl nicht mehr in Frage gestellt werde.
Die Bedenken über die Vereinbarkeit der EU-Vorgaben mit dem Grundgesetz sieht Zypries weit gehend ausgeräumt. Den Karlsruher Richtern fehle wohl auch die Zuständigkeit, den europäischen Rahmenbeschluss als solchen zu bemängeln. »Wir haben den Eindruck gewonnen, dass der Grundsatz, dass der europäische Haftbefehl sinnvoll ist, nicht bestritten wird«, sagte Zypries.
Der EU-Haftbefehl soll die Auslieferung von Tatverdächtigen an die Justiz anderer Mitgliedstaaten erleichtern und beschleunigen. Er gilt auch für eigene Staatsbürger und umfasst 32 Delikte.
Verfassungsrichter Siegfried Broß fragte Masing in der Anhörung, ob sich die Bundesregierung vor ihrer Zustimmung zum EU- Rahmenbeschluss über den Europäischen Haftbefehl im Jahr 2002 Kenntnis über die europaweit sehr unterschiedlichen Haftbedingungen verschafft habe. Das verneinte der Augsburger Professor.
Auslöser des Verfahrens ist die Verfassungsbeschwerde des unter Terrorverdacht stehenden Deutsch-Syrers Mamoun Darkazanli, der als eine zentrale Figur im europäischen El-Kaida-Netz gilt.
Die Verfassungsrichter hatten eine Auslieferung des 46-jährigen Hamburger Kaufmanns an Spanien im November per Eilbeschluss vorläufig gestoppt. Der EU-Haftbefehl gilt in Deutschland seit August 2004. Ein Urteil wird erst in einigen Monaten erwartet.

Artikel vom 15.04.2005