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Waffen und Menschenrechte

Chinas Führung steht Aufhebung des EU-Embargos selbst im Wege

Von Andreas Landwehr
Peking (dpa). Das europäische Waffenembargo gegen China nennt Peking immer ein »Überbleibsel des Kalten Krieges«. Dass die EU die Sanktionen wegen der blutigen Niederschlagung der Demokratiebewegung 1989 verhängt hatte, verschweigt die kommunistische Führung.

Stattdessen ist von »politischer Diskriminierung« die Rede. Auch sieht die »Volkszeitung« in dem Widerstand der USA gegen eine Aufhebung nur typische »Vormachtpolitik« der Amerikaner.
Doch stellt sich die kommunistische Führung nicht den zwei Kernfragen hinter dem Embargo. Die eine betrifft die Menschenrechte, da das Massaker vom 4. Juni 1989 der Auslöser war. Die andere Frage ist, ob China eines Tages seine Waffen gegen andere einsetzen wird. Ausgerechnet mitten in der Debatte über das Embargo nahm der Volkskongress im März das umstrittene Anti-Abspaltungsgesetz an, das einen Krieg gegen Taiwan vorschreibt, wenn sich die Insel abspalten würde.
Die kommunistische Führung unterschätzte die Auswirkungen des Gesetzes auf die demokratischen Entscheidungsprozesse in der EU. Es war auf Drängen konservativer Kräfte und zur Abschreckung allzu frecher Unabhängigkeitsbestrebungen in dem nur als abtrünnige Provinz betrachteten Taiwan auf den Weg gebracht worden.
US-Außenministerin Condoleezza Rice warnte in Peking auch vor einer Verschiebung des militärischen Gleichgewichts in der Region, wo die USA starke Sicherheitsinteressen haben. Washington fürchtet, dass sich US-Soldaten irgendwann europäischer Technologie in den Händen der Volksbefreiungsarmee gegenübersehen könnten, wenn die USA in einen Konflikt um Taiwan gezogen werden.
Für Rice ist die Taiwanfrage nur ein Beispiel, wie viel ungelöste Probleme China - zu Recht oder Unrecht - mit seinen asiatischen Nachbarn hat. In den jüngsten Spannungen über Japans Pläne für Bohrungen in umstrittenen Seegebieten im Ostchinesischen Meer stellen sich Beobachter auch schon chinesische Kriegsschiffe auf dem Weg zu Bohrinseln vor, selbst wenn die Eskalation im Moment eher von Tokio ausgeht. Aber auch um die Spratley-Inseln im Südchinesischen Meer streitet sich China mit mehreren anderen Staaten.
Solche strategischen Überlegungen lassen die Opfer des Massakers, ihre Familien und all jene leicht vergessen, die noch heute wegen ihrer Forderung nach demokratischen Reformen in Haft kommen. Bei allen Fortschritten in der persönlichen Freiheit weisen selbst Chinesen darauf hin, dass sie diese heute nicht wegen, sondern trotz der Kommunistischen Partei haben. Freie Meinungsäußerung findet noch immer ihre Grenzen, sobald sie organisierte Formen annimmt.
Ausgerechnet die mit vielen Hoffnungen begrüßte neue Führungsgeneration begann mit einer Kampagne gegen Intellektuelle, die als Warnsignal gegen allzu freizügige Diskussionen gedacht war. Die Professorin Ding Zilin, die an der Spitze der Familien der Opfer des Massakers steht, sieht keine Fortschritte in Menschenrechten und wirft Kanzler Gerhard Schröder und Frankreichs Präsident Jacques Chirac vor, ein »beschämendes Stück« Geschichte zu schreiben.
Immer wieder hatten europäische Politiker die Führung in Peking aufgefordert, zumindest den UN-Pakt über die politischen und bürgerlichen Rechte zu ratifizieren oder anders Fortschritte bei den Menschenrechten zu signalisieren. Doch leugnete Peking immer jede Verbindung zwischen Waffenembargo und Menschenrechten.

Artikel vom 15.04.2005