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Die Macht der
»Selbsthygiene«

VfB Fichte-Spieler reden »Klartext«

Von Jörg Manthey
Bielefeld (WB). Eine unmittelbare Konsequenz aus dem 0:6-Desaster gegen die SG Wattenscheid 09: Gestern Abend steckten die Oberligakicker des VfB Fichte ihre Köpfe zusammen. Ohne Trainer und ohne Offizielle gab's nur ein Thema. »Klartext reden, was an den letzten Spieltagen alles schief gelaufen ist«, erklärt Abwehrrecke Güven Aydin. Für Dr. Jörg Weber war die erste Halbzeit »mit das Schlimmste, was ich als Trainer vom Spielverlauf her erlebt habe. So etwas darf sich nicht wiederholen«.

Die einen erhörten ihren Trainer. »Das Ding gewinnen und dann gegen Bochum nachlegen«, hatte Georg Kreß den Profis der SG Wattenscheid ins Gewissen geredet. Gesagt - und fantastisch umgesetzt. Kollege Dr. Jörg Weber erreichte sein Team hingegen nicht. Von »deutlich spürbarem Auflehnen gegen die Negativserie« und »Aggressivität«, wie er es im Vorfeld verlangt hatte, war rein gar nichts erkennbar. Mit dem frühen Rückstand war jegliche Courage brutal weggeblasen und wich der Ersten Allgemeinen Verunsicherung. Marketing-Geschäftsführer Dirk Starke registrierte »nackte Angst«.
»Wir haben es Wattenscheid sehr leicht gemacht«, sah Weber seine Schützlinge »wie gelähmt«. Dennoch bleibt er weiter der Ansicht, das die Mannschaft intakt, die Spieler in Ordnung seien. »Nur können sie es momentan nicht auf dem Platz zeigen«.
Dirk Starke setzt auf die »Selbsthygiene der Mannschaft. Die Führungsspieler sind jetzt gefordert«. Er erlebte am Mittwochabend eine »Horrorvision«. In der Halbzeitpause eilte er noch auf die Mitte des Rasens, um an die Ehre aller (»Wir gehen hier nicht unter. Zeigt Charakter«) zu appellieren. Anschließend setzte er sich wie Obmann Rainer Goldmann demonstrativ neben den Trainer auf die Bank. »Der Vorstand steht absolut hinter Weber. Es gibt keine Auflösungserscheinungen. Wir halten am Trainer fest und bringen das Boot gemeinsam auf Kurs«, sagt Starke bestimmt.
»Das war eine bewusste Aktion. Ein Signal an die Spieler, dass wir die Sache gemeinsam ausbaden. Das 0:6 hat nichts mit dem Trainer zu tun. Es gibt keine Trainerdiskussion«, ergänzt Goldmann. Und weiter: »Alle schämen sich für die Leistung und finden es furchtbar peinlich. Ich habe Stimmen aus dem Team gehört, dass es doch nicht sein könne, in einer Saison zwei Trainer rauzukegeln«. Bei Weber kam diese Form der Solidarisierung übrigens »positiv an«.
Das Spiel auf der Rußheide war für die SG Wattenscheid bereits das vierte in Folge in der Fremde - eingesackt wurden hier die Punkte acht, neun und zehn - und das elfte nicht verlorene hintereinander. Die Entwicklung des VfB Fichte zeigt genau in die andere Richtung. Sieben Mal sieglos und den starken Tabellenzweiten Emsdetten vor der Brust. Zuletzt 5:16 Tore, ein Rückfall in alte Zeiten. »Die Anzahl der Gegentore ist zu hoch. Das ist wieder der Knackpunkt wie vor einem halben Jahr«, sinniert Weber.
Güven Aydins Sorge angesichts unmissverständlicher Zeichen: »Ich hoffe, der Trainer macht weiter. Wir wollen die Saison gemeinsam mit ihm durchziehen«.

Artikel vom 15.04.2005