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Leitartikel
Visa-Skandal im U-Ausschuss

»Joschkas« Liveshow und der TED


Von Rolf Dressler
Im knarrigen Polit-Sprechblasen-Deutsch der letzten Tage findet sich auch die folgende Leerformeln-Ansammlung. Sie könnte gut und gern von einem Grünen-Pfeifer im Walde stammen und auf die Bedrängnis ge- münzt sein, der sich - oh, du un- gerecht-undankbare Welt! - Visa-Minister und Grünen-Urväterchen Joseph alias »Joschka« Fischer zu erwehren hat:
»In eine Angststarre zu verfallen, wäre grundfalsch. Gerade jetzt gilt es, das Begonnene fortzuführen, anstatt nachzukauen und nachzukarten. Wir wissen, das ist schwierig, wir wissen aber auch, was wir tun. Mit ewigen Bedenken kommt man nicht weiter. Arbeiten wir uns also aus dem Jammertal heraus...«
Nur, warum denn gleich das Jammertal bemühen? Ist der Visa-Untersuchungsausschuss als Mattscheiben-Liveshow am 25. April dem smarten Livestar Joschka mit der tollen Haartolle nicht geradezu kongenial auf den Leib geschneidert? Möge dabei für Rot-Grün doch nur wahlkampfwirksam Positives herausspringen, darauf werden die Weggefährten bis hinein in Gerhard Schröders Kanzleramt inständig hoffen. Zumal der TV-Auftritt auch noch völlig honorarfrei ist. Soll heißen: Er strapaziert die gebeutelte Parteikasse überhaupt nicht.
Auf der Medienbühne fühlt sich »der Joschka«, wie sie ihn rufen, seinem Stande angemessen bestens aufgehoben. Ebendort ist der Einschaltquoten-Fischer in seinem Element, dort läuft er meist zu Höchstform auf, wirft die Stirn noch ein wenig kunstgerechter in Falten, etwa wenn er nachsinnt über einen allumfassenden Exekutivausschuss, der die Erde regiert. Es muss ja nicht gleich ein »Weltstaat« mit »Weltverantwortung« sein; etwas kleiner geht's - für den Anfang - auch.
Seine ganz persönliche Richtungsentscheidung hatte Joseph Fischer ohnehin schon vor Wochen getroffen: Angesichts der drängenden »innen- und außenpolitischen Herausforderungen« gebiete es die Staatsräson, dass er Außenamtschef bleibe - Visa-Skandal hin oder her.
Falls das nun aber wider Erwarten so doch nicht klappen sollte? Vielleicht, wer weiß, gesellt sich der Publikumsgünstling Joschka F. dann künftig zu TV-Werbespot-»Ikonen« wie Franz Beckenbauer (Erdinger Weißbier), Günter Jauch (Telekom) oder Thomas Gottschalk (Gelbe Post). Zum Beispiel könnte Fischer ja mit Afrikanern, Kurden und Ukrainern Modell stehen sogar auch für völkerverbindende Fernseh- und Großplakat-Kampagnen künftiger deutscher Regierungen - frisch und frei nach der erprobten Visa-Praxis-Losung »Weltoffenheit und Toleranz statt Bürokraten-Muff und Paragraphendschungel«...
Gleichviel, die Welt fiebert der Fischer-Liveshow am 21. April entgegen. An diesem Tage können alte Karrieren enden und völlig neue ihren Anfang nehmen.
Ach, übrigens: Warum eigentlich dürfen wir, das Zuschauer- und Wählervolk, nicht per »TED«-Umfrage über »unseren« Joschka alias Joseph Fischer abstimmen?

Artikel vom 16.04.2005