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Russen mögen
Ritter Sport

Westliche Marken auf dem Vormarsch

Von Bernhard Hertlein
Hannover/Ungerhausen (WB). Schaufenster und Vitrinen erweckten im realsozialistischen Einzelhandel den Eindruck, als sollten sie die Kunden abschrecken. »Das ist lange her«, sagt Quirin Wydra, geschäftsführender Gesellschafter der Mawy GmbH im bayerischen Unterhausen.

Wydra hat sich mit den 120 Mawy-Mitarbeitern auf Projektentwicklung und -management in Russland spezialisiert. Er hilft Firmen beim Erwerb von Immobilien, unterstützt Markenhersteller beim Aufbau von Logistik und Vertriebssystemen. Mit seinem eigenen Handelsunternehmen beliefert er 15 000 Verkaufsstätten in Russland. Als die Bielefelder AVA beschloss, in Moskau ein Einkaufszentrum zu errichten, nutzte sie ebenfalls sein Wissen und die persönlichen Kontakte. Wydra ist an dem sehr erfolgreichen »Marktkauf«-Einkaufszentrum im Moskauer Stadtteil Kotelniki mit fünf Prozent beteiligt. Auch der führende Hersteller von Einkaufswagen, Wanzl, arbeitet mit Mavy zusammen.
In den vergangenen 20 Jahren, seit der Einführung von Glasnost und Perestrojka, hat sich das Einkaufsverhalten der russischen Bevölkerung ausgehend vom Großraum Moskau sehr verändert. Heute achten auch die Verbraucherinnen und Verbraucher in Russland beim Einkauf auf bekannte Namen. Den Anfang machten sie bei Auto- und Kleidermarken. Doch inzwischen, so Wydra, setzt sich dieses Bewusstsein auch bei Nahrungsmitteln durch.
Zu den Marken, denen Mawy den Weg nach Russland ebnete, gehört Ritter Sport. »In drei Jahren konnten wir den Umsatz von Null auf 40 Millionen Euro steigern«, berichtet Wydra. Damit hat Ritter Sport bereits einen Anteil von 14 Prozent am russischen Markt von Tafelschokolade. Ähnlich erfolgreich sind Klosterfrau und Ehrmann. Meica geht auf Vorschlag Wydras nicht mit seinen Würstchen, sondern zunächst mit Fertigsuppen auf den russischem Markt. Ein weiterer Neukunde ist der Kekshersteller Bahlsen.
Die Tatsache, dass westliche Marken ebenso wie westliche Verkaufsmethoden erst jetzt in Russland richtig bekannt werden, bietet den Herstellern auch Chancen. Aus Wydras Sicht haben viele Markenhersteller noch ein falsches Bild von Russland und halten sich deshalb zurück. Mafia, Korruption und behördliche Willkür seien unter Wladimir Putin stark zurückgedrängt worden: »Wann wenn nicht jetzt wollen die deutschen Firmen diesen riesigen Markt entdecken?«
Wydra selbst bastelt indessen schon wieder an neuen Projekten. »Mawy Air«, eine Fluggesellschaft für Geschäftskunden, will er aufbauen. Und warum nutzt er seine Kenntnis des deutschen Marktes nicht, um auch russische Produkte hierher zu holen? »Der deutsche Markt ist mit seinen geringen Margen im Einzelhandel nicht gerade verlockend«, sagt Wydra. Trotzdem wolle man einen Versuch wagen. Und mit welcher Ware? »Lachen Sie nicht -ĂŠaber natürlich mit einem Marken-Wodka.«

Artikel vom 18.04.2005