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Wählen bis endlich der weiße
Rauch in den Himmel steigt

»Zimmer der Tränen« und abgestellte Handys: Geheimnisse der Konklave

Von Peer Meinert
Rom (dpa). Ob die Kardinäle vor der Papstwahl nun tatsächlich ihre Handys abgeben müssen, weiß außerhalb der Vatikanmauern niemand zu sagen. Wer sollte das anordnen, schließlich gibt es in der »Zeit zwischen den Päpsten« niemanden, der ihnen befehlen könnte.

»Aber Kardinäle sind vertrauenswürdig«, meint ein Theologe in Rom, der Purpurträger und deren Gepflogenheiten kennt. »Sie werden ihre Handys ganz bestimmt abstellen.« Am Montag beginnt das uralte Ritual der Papstwahl, Geheimhaltung und völlige Abgeschiedenheit von der Außenwelt sind Gebot - wer es verletzt, riskiert Exkommunizierung.
Geheimnisvoll ist auch die Sache mit dem schwarzen Kanonenofen, aus dem die weiße Rauchfahne als Zeichen der geglückten Abstimmung. aufsteigt. Das Gerät sei zwar schon aus dem Keller geholt und Kenner wissen, dass es gleich am Haupteingang der Sixtinischen Kapelle aufgestellt ist. Aus Gusseisen sei das Öfchen, etwa einen Meter hoch und »ein bisschen übel zugerichtet«, wie die italienische Nachrichtenagentur Ansa vermerkt. Ob es aber derselbe Heizkörper ist wie bei Karol Wojtylas Wahl 1978, sei unklar.
Die Wahlzettel liegen schon bereit, und da Papst Johannes Paul II. bis in kleinste Detail über sie nachgedacht hat, weiß die Welt auch, wie sie aussehen. »Der Stimmzettel muss rechteckig sein und soll in der oberen Hälfte, möglichst im Vordruck, die Worte enthalten: Eligo in Summum Pontificem (ich wähle zum Papst), während die untere Hälfte frei bleiben muss, um hier den Namen des Gewählten zu schreiben; deswegen ist der Zettel so beschaffen, dass er doppelt gefaltet werden kann.« So akribisch war der Papst sonst nie.
Dass der Papst für das Konklave alles haarklein vorbestimmt hat, wird am Montag zu einer eigenartigen Situation führen: Zwar ist alles streng geheim, Kameras sind verbannt - aber trotzdem weiß die Welt genau, was passiert. Zum Beispiel die Stimmabgabe: »Jeder wahlberechtigte Kardinal bringt den Stimmzettel, nachdem er ihn ausgefüllt und gefaltet hat, nach der Rangordnung und allen sichtbar mit erhobener Hand zum Altar...« Die Urnen sind mit einem Teller bedeckt. »Danach legt er den Stimmzettel auf den Teller und gibt ihn damit in die Urne. Hierauf macht er eine Verneigung zum Altar hin und kehrt zu seinem Platz zurück.«
Ein deutscher Kirchenmann in Rom kommentiert: »Man ist nicht dabei, und sieht doch alles.« Ein Ritual steht allerdings nicht in Wojtylas offiziellem Dokument zur Wahl, das er 1996 verfasst hatte, das ist die Sache mit dem »Zimmer der Tränen«. Dabei handelt es sich gleichsam um die erste Handlung des neuen Papstes, gleich nach Abstimmung und Annahme der Wahl. »Camera lachrimatoria« heißt die kleine Kammer neben der Kapelle, in die der neue Papst geleitet wird. In der Kammer steht ein kleines rotes Sofa.
»Dann lässt man den Papst alleine, damit er seinen Gefühlen freien Lauf lassen kann«, erklärt ein Prälat. »Oftmals werden die Gewählten von ihren Emotionen derart übermannt, dass Tränen fließen.« Später werden dem Frischgewählten die Papstkleider in die Kammer gereicht - der römische Kurienschneider Gammarelli hat die Gewänder in dreifacher Ausfertigung geschneidert: klein, mittel und groß.
Eine Schwierigkeit, eine ziemlich knifflige Angelegenheit sogar, könnte allerdings kurz vor dem Gang ins »Zimmer der Tränen« auf die Kardinäle zukommen. Gemäß Wojtylas peniblen Vorgaben fällt es dem Kardinaldekan zu, dem Neuen zwei entscheidende Fragen zu stellen, natürlich in Latein. »Nimmst Du Deine kanonische Wahl zum Papst an? Ist die Antwort Ja, fragt er nach dem Papstnamen: »Und wie willst Du Dich nennen.« In der nächsten Woche könnte sich ein pikantes Problem entwickeln: Der Kardinaldekan ist Jospeh Ratzinger und der wird immer wieder selbst als »papabile«, als möglicher Papst, gehandelt. Falls der Bayer tatsächlich gewählt wird, wer soll ihn dann fragen?

Artikel vom 16.04.2005