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»Republik des Kindermangels«

Kanzler sieht in Erhöhung der Geburtenrate Aufgabe ersten Ranges

Berlin (dpa). Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) sieht die Erhöhung der Geburtenzahlen in Deutschland als »strategische Aufgabe ersten Ranges«. Deutschland sei eine »Republik des Kindermangels« geworden, sagte Schröder gestern bei einer Familienkonferenz mit Arbeitgebern in Berlin.

Die von Familienministerin Renate Schmidt propagierte Einführung eines Elterngeldes als Lohnersatz beurteilte der Kanzler aber zurückhaltend. Er sehe noch »Klärungsbedarf«. Arbeitgeberpräsident Dieter Hundt forderte eine Kürzung der dreijährigen Elternzeit und eine Überprüfung der bisherigen Förderung.
Familienministerin Schmidt relativierte ihre Elterngeld-Initiative. Absolute Priorität müsse der Ausbau der Kinderbetreuung haben. »Dann kommt als Schlusspunkt des Ganzen in der nächsten Legislatur gegebenenfalls ein Elterngeld.« Sie werde 2006 Eckpunkte präsentieren.
In der Diskussion ist ein Staatszuschuss in Höhe von bis zu zwei Dritteln des letzten Nettolohns der Familie für junge Eltern. Eine Kürzung der Elternzeit lehnten sowohl Schmidt und die Grünen als auch die Unionsfraktion im Bundestag umgehend ab. Im Mai 2006 will die Bundesregierung in Berlin nach französischem Vorbild den »ersten deutschen Familientag« veranstalten.
Seit 1964 habe sich die Zahl der Neugeborenen in Deutschland auf derzeit 700 000 im Jahr halbiert, sagte Schröder. »Wir wollen bis Ende des Jahrzehnts das familienfreundlichste Land in Europa werden«, betonte er. Die Bundesregierung will nach Angaben Schröders bei der Familienförderung umsteuern. Das Gewicht soll weniger auf direkten Zuschüssen für die Eltern und mehr auf dem Ausbau der Kinderbetreuung liegen. »Eltern brauchen mehr Infrastruktur statt einfach immer mehr Geld«, sagte Schröder.
Der Kanzler betonte gleichzeitig, Schweden und Dänemark hätten mit dem Elterngeld »gute Erfahrungen« gemacht. Die Unionsfraktion lehnte das Elterngeld ab. »Das ist fatal für die Familien«, sagte Fraktions-Vizechefin Maria Böhmer im Südwestrundfunk. Die FDP nannte Schmidts Initiative einen »diskussionswürdigen Vorschlag«.
Schröder forderte die Arbeitgeber auf, mehr für den »dringend notwendigen Ausbau der Kinderbetreuung« zu tun. Es sei volkswirtschaftliche Verschwendung, wenn eine erstklassig ausgebildete Frau wegen fehlender Kinderbetreuungsmöglichkeiten nicht arbeiten könne.
Arbeitgeber-Präsident Hundt kritisierte: »Für Kinder unter drei Jahren fehlen 1,2 Millionen Betreuungsplätze.« Die Familienförderung von 150 Milliarden Euro habe weder zu mehr Geburten noch zu einer vernünftigen Integration der Eltern in den Arbeitsmarkt geführt. »Hier müssen wir umsteuern.« Die dreijährige Elternzeit solle gekürzt werden. »Die Wirtschaft hat ein Interesse daran, die Mütterzeit zu verkürzen.«
Unionsfraktionsvize Böhmer sagte dazu: »Wir brauchen keine neue Benachteiligung von Müttern.« Bei den Grünen betonte die politische Bundesgeschäftsführerin Steffi Lemke«: »Eine Abkehr von der dreijährigen Jobgarantie werden wir nicht akzeptieren.
Marcus Ostermann, Geschäftsführer des Deutschen Familienverbandes (DFV), beklagte die fehlende Unterstützung von Familien in Deutschland: »Wir tun in Deutschland materiell nicht genug für Familien.« Es sei zwar »sehr erfreulich«, dass mit dem Vorstoß von Bundesfamilienministerin Schmidt nun die Vereinbarkeit von Familie und Beruf stärker in der Fokus gerückt worden sei. Genauso wichtig sei es aber auch, Familien materiell in die Lage zu versetzen, sich ihre Kinderwünsche zu erfüllen.
Ostermann würde die Einführung eines Einkommen abhängigen Elterngeldes begrüßen. Er kritisierte aber die Begrenzung des Elterngeldes auf ein Jahr.Seite 4: Kommentar

Artikel vom 14.04.2005