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Miki soll zu Hause sterben

Japanischer Junge wartete neun Monate vergeblich auf ein neues Herz

Von Christian Althoff
Bad Oeynhausen (WB). Neun Monate hat ein japanischer Junge im NRW-Herzzentrum Bad Oeynhausen auf ein Spenderherz gewartet - vergeblich. Am Donnerstag wurde der todkranke Miki (10) von Bückeburg aus mit einem »Challenger«-Ambulanzjet in seine Heimat geflogen. »Die Eltern möchten, dass er dort im Kreis seiner Familie sterben kann«, sagte Professor Kazutomo Minami, Vize-Direktor des Herzzentrums.
Diese Foto entstand sechs Wochen, bevor Miki einen Schlaganfall erlitt und ins Wachkoma fiel. An der Hüfte des Jungen ist die Pumpe zu erkennen, die sein todkrankes Herz unterstützt. Foto: Althoff

In Japan dürfen nur Erwachsene Organe spenden. Deshalb hatte Miki in seiner Heimat keine Überlebenschance - wie 500 weitere herzkranke Kinder, die dort jedes Jahr unweigerlich sterben müssen. Mikis Herz hatte sich aus ungeklärter Ursache auf die dreifache Größe ausgedehnt und pumpte kaum noch Blut - ein Todesurteil. Doch eine große japanische Zeitung hatte über Mikis Schicksal berichtet und zu Spenden aufgerufen. Deshalb konnte der Junge nach Deutschland geflogen werden, wo er seit dem 20. Juli auf ein Spenderherz wartete.
In Bad Oeynhausen hing Mikis Leben von Anfang an an einer Pumpe, die sein schwerkrankes Herz unterstützten musste. Sechs Mal wurde der Junge in den vergangenen Monaten in Vollnarkose versetzt, um die Pumpe gegen eine neue auszutauschen, denn nach einiger Zeit bilden sich in den Geräten lebensbedrohende Blutgerinnsel.
»Mikis Zustand war so schlecht, dass er vom ersten Tag an bei Eurotransplant auf der Hochdringlichkeitsliste stand«, erklärte Prof. Minami. Tag für Tag hofften und bangten Pfleger und Ärzte mit Miki, doch es fand sich kein Organspender, dessen Herz von der Größe und der Blutgruppe her geeignet gewesen wäre.
Im März kam es schließlich zur Katastrophe: Ein Blutgerinnsel wanderte aus der Pumpe ins Gehirn und löste einen Schlaganfall aus, in Mikis Kopf kam es zu Einblutungen. »Seit diesem Tag liegt der Junge im Wachkoma«, berichtete Kazutomo Minami. Die besondere Tragik: Nur Stunden nach dem Schlaganfall meldete Eurotransplant, dass man endlich ein Herz für Miki gefunden habe. In Slowenien war ein neunjähriges Mädchen bei einem Verkehrsunfall ums Leben gekommen, und seine Eltern hatten einer Organspende zugestimmt.
Minami: »Dieses Organ wäre für unseren kleinen Patienten hervorragend geeignet gewesen. Hätten wir es eher bekommen - wir hätten Miki retten können.« Einem Wachkomapatienten könne jedoch kein Organ transplantiert werden, erklärte der Herzchirurg.
Miki lebt nur noch, weil eine Pumpe sein Herz unterstützt, er flüssige Nahrung durch einen Tropf erhält und ein Beatmungsgerät ihn mit Sauerstoff versorgt. »Seine Eltern wollten nicht, dass er hier auf der Intensivstation stirbt. Miki soll in seiner Heimat einschlafen«, sagte Minami. Herzchirurg Dr. Sebastian Schulteeistrup begleitete den todkranken Jungen auf seinem Flug nach Tokio, wo Miki am Freitagmorgen eintraf.
An Bord waren auch seine Eltern, die in den vergangenen neun Monaten zwischen Japan und Deutschland gependelt waren und abwechselnd am Krankenbett ihres Sohnes gewacht hatten.
»Vielleicht bewegt das Schicksal dieses Kindes ja den ein oder anderen, sich doch einen Organspenderausweis zuzulegen«, sagte Kazutomo Minami. »Dann hätte Mikis Leiden auf diese Weise doch noch einen Sinn gehabt.«www.akos.de

Artikel vom 16.04.2005