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Kritik unter Schulterklopfern

Der FC Bayern München bedauert sich, sieht aber auch Schwachstellen

Von Friedrich-Wilhelm Kröger
München (WB). Zum Schluss legten sie noch eine Portion Makeup auf, um die Furchen der Erschöpfung und den Ausdruck der Enttäuschung in ihren Gesichtern etwas zu übertünchen. 2:2 in der 90. Minute, 3:2 tief in der Nachspielzeit, immerhin gewonnen also.

Und so steht jetzt für den FC Bayern im Champions League-Viertelfinale 2005 gegen den FC Chelsea ein 2:4 und 3:2 zu Buche. Ganz schön knapp, das Ganze. Wohl auch daher leiteten die ausgeschiedenen Sieger am Ende doch noch Zufriedenstellendes ab aus diesem Vergleich zwischen dem deutschen und dem englischen Tabellenführer. »Wir können erhobenen Hauptes auf unsere Champions League-Saison zurückblicken«, fand Trainer Felix Magath, »wir werden nun in der neuen Saison einen neuen Anlauf nehmen und ich bin sicher, dass wir konkurrenzfähig sein werden.«
Dass der FC Bayern nach dem bitteren 5:6-Knockout ins Schwelgen und Schwärmen über sich selbst geriet, ist den ungünstigen Umständen zuzuschreiben, unter denen sich das Aus vollzog. »Ich bin stolz auf diese Mannschaft«, stellte Manager Uli Hoeneß fest, »die bessere ist ausgeschieden.« Trainer Magath griff sogar tief in die Truhe der Fußball-Weisheiten und kramte eine Aussage des einstigen Bundesliga-Stürmers Jürgen Wegmann hervor. Als er noch in Dortmund kickte und mit seinem Team eine besonders ärgerliche Niederlage bezogen hatte, war Wegmann auf folgende Erklärung gekommen: »Erst hatten wir kein Glück, und dann kam auch noch Pech hinzu.« Magath verhalf diesem Zitat nun zum Comeback.
Zu gern würde der Bayern-Trainer auch noch die Statistiker einschalten in die Diskussion, wie unglücklich sich besonders der Münchner Sportskamerad Lucio vorgekommen sein muss. Der Brasilianer hatte sowohl im Hinspiel als auch bei der Aufholjagd im Olympiastadion jeweils einen Schuss von Chelseas Frank Lambert so sehr in der Richtung verändert, dass er jeweils unhaltbar zum 0:1 im Netz des FC Bayern landete. In diesem doppelt richtungsweisenden Verhängnis offenbarte sich für Magath ein Mysterium: »Ich weiß nicht, ob ein Sechser im Lotto nicht sogar wahrscheinlicher ist als ein zweimal nacheinander vom selben Spieler abgefälschter Ball.«
Die Bayern bemühten sich nach Kräften, ihren Abschied eher als schicksalshaft denn als Fall von sportlicher Unterlegegenheit anzusehen. Das mag seine Berechtigung haben, aber große Klubs können vor allem eines gar nicht leiden: Belobigt zu werden für eine famose Leistung, unter deren Strich nur eines fehlt - der Erfolg.
Deswegen mischten sich in die allgemeinen Beileidsbezeugungen und Bedauernskundgebungen auch kritische Töne, auch aus den eigenen Reihen. So will Kapitän Oliver Kahn alsbald geklärt wissen, »wo die paar Prozent liegen, die Chelsea stärker war.« Sein Fett vom Schlussmann bekam der Franzose Willy Sagnol ab, der vor dem 1:2 Joe Cole in aller Ruhe dessen Maßflanke auf Torschütze Didier Drogba vorbereiten ließ. »Das habe ich zuletzt bei irgendeinem Altherrenspiel gesehen, dass einer da draußen eine halbe Stunde lang den Ball annehmen kann«, bezichtigte Kahn den Kollegen indirekt vorzeitiger Veralterung.
Präsident Franz Beckenbauer richtete seinen Zorn auf den weiteren beteiligten Vasallen der Verteidigung, weil der den bayerischen Hof zum wiederholten Mal nicht gut genug geschützt hatte. »Qualitäten hat Robert Kovac, keine Frage. Aber er hat im Spiel so ein bis zwei Situationen, wo du die Augen zumachen kannst. Wenn man dann einen Gegenspieler wie Drogba gegen sich hat, scheppert es halt hin und wieder.«
So gab diese 80. Minute den Münchnern den Rest. »Das 1:2 war die Entscheidung«, sagte Trainer Magath, »drei Tore in zehn Minuten kann man gegen Chelsea nicht schießen.« Höchstens noch zwei - für die Ergebniskosmetik, die alles war, was den Bayern noch blieb. Und jetzt erst recht natürlich die ewig gleiche Alltagsaufgabe, Deutscher Meister zu werden.

Artikel vom 14.04.2005