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Mit der Heimat versöhnt
Jacob Pins vermacht sein Lebenswerk: Arbeiten des bekannten jüdischen Künstlers kehren nach Höxter zurück
Er war 1936 aus seiner Heimatstadt Höxter an der Weser nach Palästina geflohen. Seine Eltern, der Tierarzt Dr. Leo Pins und seine Ehefrau Ida, konnten Deutschland nicht mehr verlassen. Doch der international renommierte jüdische Künstler Jacob Pins (88) - Bilder von ihm hängen in allen großen Museen der Welt - hat sich mit seiner Geburtsstadt Höxter ausgesöhnt und ihr einen wesentlichen Teil seines Lebenswerks als Stiftung vermacht.
Seine Bedingung: Die Präsentation soll verbunden sein mit dem Gedenken an das Schicksal seiner Eltern, die 1941 mit den übrigen Juden aus Höxter nach Riga ins Ghetto geschickt und dort im Juli 1944 ermordet wurden. Als Versöhnung wurde zudem verstanden, dass Jacob Pins 2003 die Ehrenbürgerwürde der Stadt Höxter annahm. Er ist der erste Ehrenbürger Höxters nach 1945.
Die im Zuge der Stiftung gegründete Jacob-Pins-Gesellschaft wird in einem zu restaurierenden WeserrenaissanceAdelshof in Höxter ein Kultur-Forum einrichten, wo sein Werk präsentiert wird. Das mit einer Million Euro veranschlagte Forum wird vom Land Nordrhein-Westfalen zu 70 Prozent aus dem Programm »Initiative ergreifen« gefördert. Den Rest bringt die Gesellschaft aus Spenden und eigenen Mitteln auf.
Zu den Ausstellungen, die im Vorfeld der Einrichtung des Pins-Forums gezeigt werden, gehört auch die, die derzeit in der Hauptstelle der Volksbank Paderborn-Höxter unweit vom Marktplatz der Weserstadt zu sehen ist.
Unter dem Titel »Farben und Licht« zeigt die Schau bis zum 13. Mai einen aussagekräftigen Überblick über das Schaffen des Künstlers, der sich als Nachgeborener im Bannkreis des Expressionismus entwickelte, doch dieser Stilrichtung seine ganz eigne und überaus individuelle Prägung verlieh.
Pins hatte in Palästina bis 1941 unter extrem harten Bedingungen in einem Kibbuz gearbeitet. 1941 konnte er dann einen alten Traum verwirklichen und mit einem schwer zu erringenden, bescheidenen Stipendium ausgestattet in Jerusalem bei Jacob Steinhardt ein Kunststudium beginnen.
Steinhardt, ein bekannter deutsch-jüdischer Künstler des Expressionismus, war schon 1933, unmittelbar nach der Machtergreifung der Nazis, aus Berlin emigriert. Er hatte bei Lovis Corinth und Henri Matisse studiert, und dabei »leidenschaftliche Auseinandersetzung um Licht und Farbe zu Beginn des expressionistischen Jahrzehnts miterlebt«, machte Dr. Werner Altmeier, Kunsthistoriker und pensionierter Direktor des Museums Corvey, bei der Eröffnung der sehr sehenswerten Ausstellung deutlich. Altmeier hatte bereits 1989 eine große Werkschau ausgerichtet.
Pins bereicherte die expressionistische Auffassung vor allem in seinen farbigen Holzschnitten um eine ganz neue Variante, nämlich die einer so genannten irisierenden Farbgebung - die Kunstfertigkeit, durch subtile farbliche Übergänge von dunklen zu hellen Tönen dem Hintergrund eine größere Raumtiefe zu verleihen.
Beeinflusst wurde diese Technik von der Auseinandersetzung des Höxteraner Künstlers mit japanischem Farbholzschnitten. Durch Zufall war er 1945 in einem Jerusalemer Antiquitätengeschäft auf einen solchen Holzschnitt gestoßen. Die Faszination von fernöstlicher Kunst, die mit scheinbar lakonischen Stilmitteln die Essenz von Stimmungen und Bewegung wiedergibt, ließ ihn zeitlebens nicht mehr los: Pins hat eine der bedeutendsten Sammlungen japanischer Kunst in der Welt aufgebaut und gilt, nachdem er ein in der Fachwelt vielbeachtetes Handbuch veröffentlicht hatte, als einer der kundigsten Experten.
Schon nach seinen ersten Ausstellungen 1945 in Tel Aviv hatte er sehr schnell Erfolg. 1952 illustrierte Pins die hebräische Ausgabe von Kleists »Michael Kohlhaas«. Zahlreiche Ausstellung auch in Nord- und Südamerika begründeten sein internationales Renommee, das durch viele namhafte Kunstpreise gefestigt wurde. Von 1956 an unterrichtete er an der Jerusalemer Bezalel-Akademie für Kunst und Design und erhielt 1978 dort eine Professur.
Sein künstlerischer Rang beruht auch darauf, dass er in seinen immer gegenständlichen Bildern mit ihren ausdrucksvollen Gesichtern, kargen israelitischen und deutschen Landschaften, asiatisch anmutenden Tieren, Häuserfronten und Straßenzügen expressionistische und fernöstliche Stilelemente in ganz individueller Weise vermischt.
Auch der Jacob-Pins-Gesellschaft in Höxter unter Vorsitz von Dr. Dieter Schuler ist es zu verdanken, dass das Werk des in Höxter geborenen Künstlers in Ostwestfalen wieder heimisch wird - obwohl er in Deutschland so viel Leid erfahren hat. Wolfgang Braun

Artikel vom 23.04.2005