13.04.2005 Artikelansicht
Ausschnitt Zeitungsausschnitt
Drucken Drucken

 

Stiftungen füttern Kultur

In Osnabrück bezahlen Bürger das Kinder- und Jugendtheater

Von Dietmar Kemper
Gütersloh (WB). Stiftungen erweisen sich immer mehr als unverzichtbare Geldquelle für die Kultur. »31 Prozent der Stifter engagieren sich in Kunst und Kultur«, sagte Dr. Karsten Timmer von der Gütersloher Bertelsmann Stiftung gestern dieser Zeitung. Das sei »relativ viel«.

Deutschland erlebt einen Boom an Neugründungen: Im abgelaufenen Jahr kamen 852 neue Stiftungen hinzu. Damit stieg die Gesamtzahl auf 12 940. Ihr Vermögen schätzt der Bundesverband deutsche Stiftungen in Berlin auf 60 Milliarden Euro. 2004 seien 15 Milliarden Euro ausgeschüttet worden. Die Leiter von Museen, Theatern oder Orchestern können jeden Euro gebrauchen, weil die in Finanznot geratenen Länder, Städte und Gemeinden an der Kultur sparen und an die Verantwortung von gemeinnützigen Einrichtungen wie die Sparkassen und Volksbanken appellieren.
Offenbar stößt die Mahnung der Kommunen auf offene Ohren. »Die Zahl der Sparkassenstiftungen hat sich in den letzten acht Jahren fast verdoppelt«, sagte der Sprecher des Westfälisch-Lippischen Sparkassen- und Giroverbandes, Wolfgang Hornung, gestern dieser Zeitung. Die 86 Stiftungen in der Region hätten im vergangenen Jahr 3,9 Millionen Euro für die Kultur bereitgestellt. Unabhängig von den Stiftungen seien die schönen Künste von den Sparkassen mit 9,3 Millionen Euro gefördert worden. »Jugend musiziert« nannte Hornung als einen Schwerpunkt der Unterstützung.
Die Kulturstiftung der Westfälischen Provinzialversicherung gab im abgelaufenen Jahr knapp 300 000 Euro aus. Das Geld fließt in drei Bereiche: in die Pflege der Infrastruktur, die Nachwuchsförderung und in regionale Kulturprojekte.
In Osnabrück wird beim Ausbau des Theaters ein neuer, möglicherweise beispielhafter Weg beschritten. Dort finanziert eine Bürgerstiftung fünf Jahre lang ein eigenes Kinder- und Jugendtheater als zusätzliche Sparte. Das erste Stück soll in der Saison 2005/2006 gespielt werden.
Dass eine Bürgerstiftung drei Schauspieler bezahle, bezeichnete der künftige Intendant des Osnabrücker Theaters, Holger Schultze, als »Sensation« und »bundesweit einzigartig«. Die von der Theater-Misere direkt Betroffenen würden aktiv handeln und die Sache in die Hand nehmen.
Stiftungsgründer empfänden sich weniger als Lückenbüßer, sondern strebten nicht zuletzt »persönliche Selbstverwirklichung« an, erläuterte Karsten Timmer von der Bertelsmann Stiftung. Den Umgang mit Gönnern müssten die Leiter von Kultureinrichtungen noch lernen. Bei ihnen sei die Versuchung groß, Stiftungen nur als Instrument zu sehen, um Geld einzunehmen. Timmer: »Die Stiftungsmitglieder wollen nicht umgarnt werden und Plätze in der ersten Reihe haben, sondern sie wollen, dass man sie und ihre Ideen ernst nimmt.« Anders ausgedrückt: Wer sich als Gönner als Geldesel missbraucht vorkommt, geht schnell wieder »stiften«.

Artikel vom 13.04.2005