14.04.2005 Artikelansicht
Ausschnitt Zeitungsausschnitt
Drucken Drucken

 

Die Banalität des Bösen

Dokumentation »Das Goebbels-Experiment«


Dokumentationen über die Männer an den Machthebeln des Nationalsozialismus gibt es zuhauf. Derart ungewöhnliche wie »Das Goebbels-Experiment« allerdings sind selten. Darin porträtieren die Autoren Lutz Hachmeister, der auch Regie führt, und Michael Kloft Hitlers Propagandaminister Joseph Goebbels (1897-1945). Das Besondere ist der völlige Verzicht auf einen Kommentar oder auf die Befragung von Zeitzeugen. Des Teufels Lügenbaron wird allein durch dessen von Udo Samel gelesene Tagebuchaufzeichnungen und seltene historische Filmaufnahmen charakterisiert.
Die Banalität des Bösen tritt dabei mit einer Schärfe zutage, die frösteln lässt. Der Bogen spannt sich von Goebbels Anfängen als so genannter »völkischer Sozialist« bis zu seinem Suizid, zu dem er auch seine Frau und die Kinder verurteilte.
Dabei wird klar: Der Hexenmeister der Meinungsmanipulation war der erste Vertreter eines Typs, der heutzutage als »Medienpolitiker« gang und gäbe ist. Wesentlich war und ist, dass der Schein für wichtiger gehalten wurde als das Sein. Joseph Goebbels machte die Politik endgültig zur Handelsware.
Als einer der zentralen Protagonisten, das zeigt der Film deutlich, war der »Reichslügenbold«, wie er im Volksmund heimlich genannt wurde, einer der Hauptverantwortlichen des mörderischen Regimes im Deutschland der Jahre 1933 bis 1945. Der Film darf als wagemutig bezeichnet werden, lässt er doch Goebbels scheinbar ungefiltert und unkommentiert zu Wort kommen.
Genau darin liegt der Reiz der Dokumentation: im Verzicht auf Belehrung und vordergründige Distanz. Das mag zunächst als Wagnis erscheinen, könnte dies doch Neonazis Rückenwind geben, befürchten Skeptiker.
Eine Befürchtung, die der Film nicht bestätigt. Denn selbstverständlich sind die Autoren ihret Verantwortung durch die Auswahl der Tagebuchnotizen, ihre kluge Art des Filterns und Kommentierens gerecht geworden.

Artikel vom 14.04.2005