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Tierschänder wollte »Würstchen braten«

Steinhagener Vermieter der Waldhütte in Ummeln geschockt Ñ Polizei sucht weitere Opfer

Von Gerhard Hülsegge
(Text und Fotos)
Ummeln/Steinhagen (WB). Er wollte sich an den Wochenenden vom »Arbeitsstress« erholen, »im Wald auf der Terrasse sitzen« und »Würstchen braten«. Dass Michael Sch. (47) in einer Waldhütte an der Steinhagener Straße in Ummeln Schafe vergewaltigt, hat Vermieter Hans-Werner Lütgemeier aus Steinhagen nicht geahnt.
Blieb zum Glück verschont: das einwöchige Fohlen noch ohne Namen auf der angrenzenden Koppel.

»Wenn ich das gewusst hätte, hätte ich ihm die Hütte natürlich niemals überlassen«, sagte der 66-Jährige gestern im Gespräch mit dem WESTFALEN-BLATT. Ihm ging es schließlich »nicht ums Geld«, sondern nur darum, »dass jemand Ordnung hält, mal den Rasen mäht«. Im November 2004 hatte der Freigänger aus der Justizvollzugsanstalt Brackwede II den Eigentümer der Behausung abgepasst und angeboten, sich um das verfallene Gebäude zu kümmern. Als Wohnort gab er Quelle an, als Arbeitsstelle die Firma Kastrup. Vor vier Wochen erfuhr Lütgemeier, der selbst am Bisamweg in Steinhagen wohnt, dass er an einen Strafgefangenen geraten war, der mittlerweile zugegeben hat, sich in mindestens zwölf Fällen an zumeist trächtigen Schafen, Eseln und Pferden vergangen zu haben (wir berichteten gestern). Zehn weitere Taten werden ihm angelastet.
»Die Leute sind sensibel geworden«, so Martin Steppeler vom Kriminalkommissariat der Polizeiinspektion Süd. Seitdem bekannt ist, dass der wegen Betrugs und Brandstiftung verurteilte Sonderling, der von 1981 bis 1997 in Schweden gelebt hat, während seiner Haft im Umkreis von 50 Kilometern sein Unwesen getrieben hat, häufen sich die Anrufe weiterer Tierbesitzer als vermeintliche Opfer. So meldete sich gestern unter anderen eine Frau aus Delbrück bei der Polizei, deren Pferd am Donnerstag vergangener Woche eine Zungenverletzung aufwies. »Das kann er aber nicht gewesen sein«, erklärte Steppeler, denn da hatte man den Tierquäler bereits im »Visier«.
Bei der Rundreise durch Bielefeld sowie die Kreise Gütersloh und Paderborn gab Michael Sch. so viel Täterwissen preis, dass die Beamten schlicht ins Staunen gerieten. Er beschrieb Taten, die noch gar nicht aktenkundig waren. Nun gilt es, die Anzeigen der verschiedenen Polizeidienststellen auszuwerten, weitere Geschädigte zu suchen. »Wir sind dran, die Arbeit zu koordinieren«, meinte Steppeler. Der Kripo-Mann geht davon aus, dass letztlich aber von einem Staatsanwalt zentral Anklage erhoben wird.
Dass der Tierschänder, der sich den Blicken seiner Nachbarn bewusst entzog, nicht direkt vor der Haustür aktiv wurde, erklärt Steppeler mit der »Horstruhe wie bei Vögeln«. Andernfalls hätte es auch die Stuten den Nachbarhofes an der Steinhagener Straße 64A treffen können. Das jüngste Fohlen ist gerade eine Woche alt, hat noch nicht mal einen Namen. Es blieb verschont. »Gott sei Dank«, wie Gabriele Sudhölter betont.
Die Pferdezüchter im Umkreis dürfen aufatmen. Michael Sch. wurde in den geschlossenen Vollzug einer 100 Kilometer entfernten Anstalt in NRW verlegt. Nur zu weiteren Verhören wird er jetzt zurück nach Bielefeld transportiert.
Die Hütte mit Plumpsklo an der Steinhagener Straße ist mittlerweile wieder fest verschlossen. Hans-Werner Lütgemeier hatte die kleine Ranch im Wald von seinem Onkel geerbt, dessen Pächter auch den halb zerstörten Swimming-Pool einst angelegt hat. Ein Eimer mit Handschuhen und Abfall zeugt im Umfeld von Brennholz und einer ausgedienten Matratze von der Spurensicherung, die inzwischen ebenfalls abgeschlossen ist.
Der Deutsche Tierschutzbund rät allen Pferdehaltern, regelmäßig Kontrollgänge auf den Weiden durchzuführen, solange nicht unzweifelhaft geklärt ist, für welche der aktenkundigen Fälle der ermittelte Straftäter verantwortlich ist. Hunde, Ziegen und auch Gänse seien gute Wächter und sollten, wenn möglich, zusammen mit den Pferden im Stall untergebracht werden. Tiermisshandlungen müssten »mit aller Härte des Gesetzes« geahndet werden.

Artikel vom 13.04.2005