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Leitartikel
Waffenembargo

Mit dem
Kopf durch
die Wand


Von Dirk Schröder
Das Massaker auf dem »Platz des himmlischen Friedens« in Peking, mit dem die chinesische Führung 1989 zarte Demokratieversuche brutal niederschlug, war unmittelbarer Anlass für das europäische Waffenembargo gegen China. Fast 16 Jahre danach ist es sicherlich angemessen, dieses Embargo in der Europäischen Union einer Überprüfung zu unterziehen. Doch sollten daraus auch die richtigen Schlüsse gezogen werden. Da kann China in diesen Tagen noch so laut Fortschritte bei den Menschenrechten verkünden. Die Wirklichkeit sieht immer noch anders aus.
Es sei daran erinnert: Ende 2004 hatte die EU der chinesischen Führung ein Ende des Waffenembargos für Mitte dieses Jahres in Aussicht gestellt. Das war ein unübersehbares Zeichen des politischen Willens, die Beziehungen mit dem Reich der Mitte besser zu gestalten. Und die Antwort Pekings? Sie beschlossen ein »Antisezessionsgesetz«, das »nicht-friedliche Mittel« erlaubt, sollte Taiwan seine Unabhängigkeit erklären.
Nicht wegzudiskutieren sind auch die großen Defizite bei den Menschenrechten, die Situation der Minderheiten in China und die Lage in und um Tibet. Peking hat es doch selbst in der Hand, die Bedenken gegen das Waffenembargo aus dem Weg zu räumen.
Doch die chinesische Führung denkt nicht daran. Sie weiß Regierungen wie die in Berlin und Paris auf ihrer Seite. Da muss sie sich nicht bewegen. Und in der Tat: Der Bundeskanzler geht allen Anfeindungen zum Trotz unbeirrt seinen Weg weiter. Auch gestern warb er im Bundestag für die Aufhebung des Waffenembargos, riskiert sogar einen heftigen Streit mit dem grünen Koalitionspartner.
Wider besseres Wissen mit dem Kopf durch die Wand - Gerhard Schröder kennt natürlich die Situation in China, spielt sie aber herunter. Man muss immer mehr den Eindruck gewinnen, dass er mit den Menschenrechten wenig im Sinn hat, wenn es ums Geschäft geht. Das zeigt der Kanzler jetzt gegenüber China, so verhält er sich auch in der Tschetschenien-Frage, wie erneut auch der Besuch des russischen Präsidenten Wladimir Putin Anfang der Woche in Hannover gezeigt hat.
Abgesehen davon, dass es ein Irrglaube ist, es werde in China eine friedliche Entwicklung geben, wenn Deutschland und die Europäer nur aufs Geschäft setzen: Eine Aufhebung des Waffenembargos zum jetzigen Zeitpunkt kann nicht in unserem politischen, aber auch nicht in unserem wirtschaftlichen Interesse sein.
Der Kanzler setzt nicht nur die nach dem Irak-Krieg mühsam wieder geflickten transatlantischen Beziehungen aufs Spiel, er verschärft die Spannungen im Fernen Osten, und er sollte nicht wirklich glauben, ein Festhalten am Embargo würde den blühenden europäisch-chinesischen Handel dämpfen.
Was soll also dieser Kotau? Die Chinesen werden es nicht mit mehr Menschenrechten »danken«. Dafür die Beziehungen zu den USA gefährden, das ist schon ein hoher Preis.

Artikel vom 15.04.2005