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»Dealer-Schwemme« aus Bingöl befürchtet

Dritter Kurde aus der anatolischen Region steht binnen kurzer Zeit vor dem Landgericht

Bielefeld (uko). Die ostanatolische Kleinstadt Bingöl gilt seit Mitte der 90er Jahre als reichster Ort der Kurdenregion: Grund des unermesslichen Reichtums waren nicht zuletzt die Drogengeschäfte der männlichen Abkömmlinge in Bielefeld. Nun erlebt die hiesige Justiz die zweite Dealerschwemme aus Bingöl.

Vor dem Landgericht muss sich in kürzester Zeit der dritte Kurde aus Bingöl verantworten. Der 24-jährige Sedat K. soll im Sommer und Herbst 2004 einen schwunghaften Handel mit Heroin und Kokain betrieben haben und Mitglied einer Bande gewesen sein. Dealorte waren im Bielefelder Stadtgebiet das Gebiet um den Hauptbahnhof und die Stadthalle, ein Waschsalon an der Herforder Straße sowie ein Grünzug an der Ravensberger Straße. Im übrigen soll der Asylbewerber längere Zeit in einer Wohnung in Herford residiert haben und dort auch einen Komplizen untergebracht haben.
Recht wenig Glück hatte zum Prozessauftakt Rechtsanwalt Detlev Binder mit dem Versuch, seinen Mandanten vom Vorwurf des bandenmäßigen Handelns reinzuwaschen. Kammervorsitzender Dieter Fels verwies auf ein schon laufendes Parallelverfahren gegen den Bingöl-Dealer B., wo es im schon fortgeschrittenen Prozessstadium eindeutige Hinweise auf arbeitsteiliges Zusammenwirken mehrerer Dealer gebe.
Sofern der Nachweis der Mitgliedschaft einer Bande gelingt, wirkt sich das für die Täter strafverschärfend aus.
Fels erinnerte besonders an die offensichtlichen Verbindungen der Kurden zu Landsleuten in Bremen, die nicht nur im August 2004 einen großen Batzen Rauschgift geliefert, sondern auch den Fortgang der Geschäfte entscheidend mit bestimmt hatten. Im übrigen werde das gemeinschaftliche Dealen auch durch Telefonüberwachungen belegt, die den Rauschgiftfahndern eindeutige Hinweise auf die jeweils agierenden Drogenverkäufer gegeben hatten. Sedat K. war am 13. Oktober 2004 als letztes Mitglied der Bingöl-Gang festgenommen worden.
Für seine Geschäfte hatte er sich mehrerer Mobiltelefone bedient, deren Rufnummern den Abnehmer bekannt waren. Diese Rufnummern wurden spätestens nach zwei Wochen gewechselt. Zum internen Gebrauch kommunizierte der Kurde indes über andere Funktelefone. Insgesamt werden dem Mann 121 Taten vorgeworfen. Die Verkaufseinheiten sollen jeweils zweieinhalb Gramm groß gewesen sein.
Mitte der 90er Jahre hatten besonders Kurden aus Bingöl das Rauschgift-Geschäft in Bielefeld bestimmt. Als sich die Bingöl-Ära dem Ende entgegen neigte, saßen 1997 nicht weniger als 27 Kurden aus der Stadt in Haft. Viele Juristen hatten seinerzeit ihrem Unmut über die massiven Verletzungen des Gastrechts - fast jeder Dealer war ein Asylbewerber - zum Ausdruck gebracht. Ungeschminkt hatte seinerzeit Amtsrichter Schmidt die Rauschgift-Geschäfte angeprangert: »Die Strafverfolgungsbehörden erleben eine Invasion von Dealern aus Bingöl, die an die Heuschreckenplage in Ägypten zur Zeit von Moses erinnert.«
Der Prozess vor dem Landgericht wird fortgesetzt.

Artikel vom 12.04.2005