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»Die Kunst und das Alter«

Robert Gernhardt zu Gast beim Kulturfrühling

Bielefeld (bri). Bereits zum vierten Mal lud das Kulturamt Bielefeld zum »Bielefelder Kulturfrühling«. »Die Kunst und das Alter im demografischen Wandel« lautete das Motto, zu dem sich kein geringerer als Robert Gernhardt in Prosa und Poesie äußerte.

Das Bild vom Alter hat sich schon immer stark gewandelt. Über lange Jahre leisteten Jugendkult - Gernhardt erinnerte hier gern an den Ende der 60er Jahre geprägten Spruch »Trau niemand über 30« - und Werbeindustrie einem Verdrängungsprozess Vorschub. Allerdings setzt sich seit kurzer Zeit die Tendenz durch, dass das Alter mit Rückzug und Immobilität keineswegs vollständig ist. Ein Thema, das anscheinend nicht nur »die Alten« interessiert. Im kleinen Saal der Oetkerhalle fand sich ein altersmäßig sehr gemischtes Publikum ein, um Robert Gernhardts Gedanken und Gedichten hierzu zu folgen. Wie verarbeiten und gestalten Künstler das Alter und vor allem auch das eigene Altern? Gernhardt, frisch gekürter Träger des Heinrich-Heine-Preises, hat sich in den vergangenen Jahren verstärkt dem Spiel- und Leidensfeld »Matratzengruft« zugewandt.
»Der Überlebende« überlegte unter anderem, dass es eigentlich gar nicht gut sei, sich als Künstler »schon früh zu solchen Höhen aufzuschwingen«, denn schließlich wolle man als 70-Jähriger nicht andauernd hören, mit 35 hätte man »auf der Höhe getrommelt«. Andererseits habe man mit 60 dann eine Grenze überschritten, die viele Künstler gar nicht erst erreichen. So stelle sich natürlich die Frage: »Goethe ist tot. Klopstock ist tot. Robert Gernhardt lebt - wozu?«
Gedanken über das Alter und das Altern sind bei Gernhardt in Gedichtform verpackt meistens heiter und leicht, doch zugleich auch nachdenklich. Zuweilen werden sie zudem »ungewöhnlich böse für meine Verhältnisse!« (»Soviel Zukunft in diesen Geschöpfen, man sollte sie alle köpfen!«) Manch einer im Publikum mag die charakteristischen Zeichnungen des Schriftstellers und Malers vermisst haben, zuweilen spricht er auch etwas schnell. Aber trotzdem hat Gernhardt von Beginn an die Sympathien auf seiner Seite.
Es hat auch den Anschein, dass einige Zuschauer und -hörer an diesem Abend eigentlich nur gekommen sind, um Gernhardt einmal »live und in Farbe« zu sehen und sich in der Pause ein Buch oder einen Gedichtband signieren zu lassen, denn nach dieser kurzen Unterbrechung sind die Reihen doch ein wenig gelichtet. Nicht alle haben scheinbar Interesse an dem Gespräch, das Literatur-Redakteur Ruthard Stäblein mit Gernhardt führt, dabei sind dessen »unpoetische« Gedanken zum Thema »die Kunst und das Alter« ebenso spannend und geistreich wie in seinen Gedichten.

Artikel vom 14.04.2005