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»Dumm gelaufen«: Theater mal anders

Besucher in Brackweder Kulisse vermissten »Waterkant-Charme« des Hamburger Ensembles

Von Malte Samtenschnieder
(Text und Fotos)
Brackwede (mcs). »Das soll das Ohnsorg-Theater sein««? Erstaunt rieben sich viele Besucher der Saisonabschluss-Vorstellung der Brackweder Kulisse am Sonntag Augen und Ohren. Denn äußerst »glatt gebügelt« und weitgehend frei vom üblichen, liebenswerten Waterkant-Charme kam das Tournee-Ensemble des Hamburger Traditionstheaters bei seinem Gastspiel in der ausverkauften Aula der Realschule daher.

»Dumm gelaufen« mag mancher im Publikum gedacht haben jedoch (auch) aus einem anderen Grund. So lautete nämlich der Titel der Kriminalkomödie von Markus Voell, die Carla Becker, Frank Grupe, Ina Köster, Jürgen Lederer und Karl-Ulrich Meves in einer Inszenierung von Meike Harten bei ihrem Zwischenstopp in Brackwede präsentierten.
Selbst ohne den vermissten nordisch-näselnden plattdeutschen Slang, eigentlich ein Markenzeichen der Ohnsorg-Aufführungen, kam dabei passable Theaterunterhaltung heraus. Speziell Jürgen Lederer und Karl-Ulrich Meves als beängstigend naives Bankräuber-Duo eroberten die Herzen der Zuschauer im Nu.
Tolpatschig-unbeholfen, mit Schrotflinte und Handtaschen-Revolver durch die Schalterhallen-Kulisse fuchtelnd, war schnell klar: Diese ungelenken Ruheständler würden mit ihrem Coup auf jeden Fall scheitern. Doch oh Wunder: Mit einer gehörigen Portion Bauernschläue zogen sie ihre Köpfe letztlich doch noch aus der Schlinge. Dass sie beim Versuch, auf die Schnelle das große Geld einzuheimsen, in eine Geiselnahme wider Willen herein schlitterten, erwies sich dabei als Vorteil.
Denn »Opfer« Henriette von Bonnekämper-Halmertsdorf (Carla Becker) entpuppte sich als äußerst kooperativ. Nur allzu gern wollte sie ihrem ebenfalls fest gesetzten Mann, Bankdirektor Herbert (Frank Grupe), und dessen schnippischer Geliebter Vanessa (Ina Köster) einen Strich durch die Rechnung machen. Die Gunst der Stunde nutzend, plante die eifersüchtige Geliebte nämlich, ihre Nebenbuhlerin durch die Bankräuber »abmurksen« zu lassen. Bei all dem Beziehungsstress ging es hoch her. Frank Grupe kostete die doppelte Opferrolle - als gescheiterter Ehemann und Bankchef - in vollen Zügen aus und wand sich wie ein Aal durch unzählige unbequeme Situationen.
Sein »Liebchen« Vanessa alias Ina Köster streute genüsslich Salz in die Wunden. Schnippisch kabbelnd, bestimmte sie über weite Strecken das Tempo der rasanten Wortgefechte. Die charakterliche Wandlung vom hässlichen Entlein zum grazilen Schwan vollzog hingegen Carla Becker. Couragiert-selbstbewusst zeigte sie den anderen Akteuren als »grande dame« Henriette, wo es lang geht. Als sie in Bankräuber Zwitscher (Jürgen Lederer) ihre Jugendliebe erkennt, ist für sie klar, an wessen Seite sie ihren Lebensabend verbringen will.
Mit reichlich Beifall ging der Theaterabend zu Ende. Denn fehlende »Ohnsorg-Elemente« hatten die munter agierenden Darsteller weitgehend souverän aufgewogen und die Aufführung so vor dem Abgleiten ins X-beliebige gerettet.

Artikel vom 12.04.2005