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Jazz-Pianist ignoriert
musikalische Grenzen

Herbie Hancock feiert den 65. Geburtstag

Ein Schneesturm verhalf Herbie Hancock zur Karriere. Foto: dpa

Von Carla S. Reissman
New York (dpa). Dancefloor, wilde Afro-Beats und sphärische Walgesänge sind Teil der Show, wenn der legendäre Jazz-Pianist Herbie Hancock auf der Bühne losrockt. Jazz nur auf Jazz zu reduzieren, ist dem innovativen Musiker, der heute 65 Jahre alt wird, nicht genug. Stattdessen ist die »Fusion« von Stilrichtungen seit 1973 sein Markenzeichen.
Der Afro-Amerikaner wurde als Herbert Jeffrey Hancock in Chicago geboren. Seine Eltern kauften ihm ein gebrauchtes Klavier für 25 Dollar. Statt sich mit seinen Freunden in den Hinterhöfen von Chicago herum zu treiben, hörte er lieber Opern im Radio. Mit elf Jahren trat er mit dem Chicago Symphony Orchestra auf, damals noch mit klassischer Musik.
Ein Schneesturm startete seine Jazz-Karriere. Im Winter 1960 hatte der Trompeter Donald Byrd keinen Pianisten für seine Band, weil der im Schnee stecken geblieben war. Ein Kneipenbesitzer schlug Hancock als Ersatz vor. Byrd wurde der erste Jazz-Mentor des 20-Jährigen, nahm ihn mit nach New York und stellte ihn dort dem Establishment vor. Der Song »Watermelon Man« aus seinem Debüt-Album »Takin' Off« gilt als die Blaupause für guten Jazz. Mit 21 bekam Hancock einen Vertrag beim Label Blue Note und schrieb Hits wie »Maiden Voyage«.
1963 stieß Hancock dann auf den Trompeter Miles Davis. Zusammen mit Wayne Shorter, Ron Carter and Tony Williams formten sie ein Quintett, das zu einer der einflussreichsten Jazz-Combos der 60er Jahre wurde. Bereits mit Miles Davis, von dessen Gruppe er sich 1968 trennte, betrieb Hancock die Öffnung des Jazz in Richtung Rock und Rhythm & Blues. Mit dem immens erfolgreichen Album »Chameleon« landete er schließlich sogar in der Disco-Ecke. Immer wieder stürmte er die Hitparaden und schreckte auch nicht vor der Vertonung von Werbespots zurück. Hancocks Name steht auf etwa 200 Alben. Er komponierte auch die Musik für den Action-Streifen »Ein Mann sieht rot« (1974) mit Charles Bronson und bekam einen Oscar für den Soundtrack von Taverniers Jazz-Film »Round Midnight« (1986).

Artikel vom 12.04.2005