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Rechtschreibreform

Totenschein unterschrieben


Die Rechtschreibreform ist tot. Den Totenschein haben die Schul- und Kultusminister bereits vorausgreifend ausgefertigt mit ihrer Entscheidung, zum 1. August nurmehr die »unstrittigen« Teile des Reform-Regelwerks an den deutschen Schulen in Kraft treten zu lassen.
Vor der Beerdigung des 1996 beschlossenen Reformwerks erwartet das Schreibvolk allerdings noch einige Sprachakrobatik. Die erste Rolle rückwärts hat der Rat für Rechtschreibung bereits vollführt mit der Empfehlung, »kopfstehen« ebenso wie »eislaufen« und zahlreiche nach neuer Lesart zwangszutrennende Tätigkeitswörter nunmehr wiederzuvereinigen.
Weitere Schritte zur Rückabwicklung der Reform sind absehbar. Der Rechtschreibrats-Vorsitzende Hans Zehetmair hat bereits angekündigt, welche Auswüchse die Sprachexperten demnächst beschneiden wollen: Das vom Aussterben bedrohte Komma soll von der roten Liste der deutschen Sprache errettet, die nahezu beliebige Worttrennung am Zeilenende wieder mit orthographischem Sinn erfüllt werden.
Leidtragende der Rückwärts-Reform sind Lehrer und Schüler. Sie sollen aus dem Scherbenhaufen der neuen Rechtschreibung »richtiges« Deutsch zusammensetzen. Das aber ist schier unmöglich.
Doch es gibt einen Ausweg: die Rechtschreibreform bis zur endgültigen Klärung auszusetzen. Selbst wenn das noch einmal neun Jahre dauern sollte.Andreas Kolesch

Artikel vom 13.04.2005