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Leitartikel
Qualität aus Deutschland

Guter Ruf
ist schnell
ruiniert


Von Bernhard Hertlein
Die Firma X investiert in Osteuropa. Das Unternehmen Y wird demnächst in Fernost eine Produktion eröffnen. Fast täglich liest man diese Nachricht.
Ein Teil der Auslandsinvestitionen ist der Tatsache geschuldet, dass die boomenden, aber weiterhin durch Zollgrenzen abgeschotteten Märkte einfach verlangen, dass die Anbieter am Ort fertigen.
Ein zweiter Grund sind die niedrigen Kosten, zu denen dort produziert werden kann. In der Vergangenheit wurden die »Billigheimer« noch gern mit dem Argument abgetan, dort werde nur Ramsch produziert.
Eigentlich hätten diejenigen, die dies behaupten, durch das Beispiel Japan gewarnt sein müssen. Inzwischen haben auch die Koreaner, die Polen und Tschechen, die Inder, Brasilianer, Mexikaner und selbst die Chinesen enorm aufgeholt. Doch mehr noch verkleinert sich der Qualitätsabstand vor allem deshalb, weil gleichzeitig der Stern des »Made in Germany« in einem Tempo verblasst, der Angst macht. An schlechten Beispielen hat es keinen Mangel:
- Der Elchtest hatte »nur« die A-Klasse getroffen. Doch nun muss Mercedes-Benz - nach den bei Bosch produzierten fehlerhaften Dieselmotor-Einspritzpumpen - binnen kurzer Zeit zum zweiten Mal Fahrzeuge seiner Nobelklassen zurückrufen. Diesmal werden an 1,3 Millionen Autos die Bremsanlagen, Lichtanlagen und die Software der Stromversorgung überprüft. Kosten: wieder ein dreistelliger Millionenbetrag und der schleichende Verlust des exzellenten Rufes.
- »Toll Collect« blamierte sich erst kräftig, bevor das Mautsystem funktionierte.
- Die Deutsche Bahn, einst sprichwörtlich für Pünktlichkeit, nervt ihre Kunden ziemlich.
- Das Gleiche gilt für Computerfirmen, die ihre »Bananen«-Software viel zu früh auf den Markt werfen: Soll sie doch »beim Kunden reifen«.
Die Liste ließe sich fortsetzen -Êmit Maschinen, Handwerkern, (Siemens-)Mobiltelefonen . . .
Abgesehen davon, dass manche Qualitätsmängel auf zu wenig und damit überfordertes Personal zurückzuführen sind, hapert es darüber hinaus vor allem an der Kommunikation. Klarer ausgedrückt: Der Einkäufer erhält dann Provision, wenn er den Zulieferer möglichst tief im Preis drückt. Ob die (Elektronik-)Teile, die er bei unterschiedlichen Herstellern ordert, überhaupt miteinander harmonieren, wird sich später zeigen.
Die Zeche fällt in jedem Fall dann, wenn Anlagen oder Zulieferteile ausfallen, auf die Produktion sowie, wenn die neue, schlechtere Qualität erst einmal publik geworden ist, auf Vertrieb und Marketing zurück. Richtig wäre es, alle Fachleute vorab in die Entscheidung einzubinden. Doch das widerspricht vielfach deutscher Unternehmenskultur.
Am Ende kostet Qualität zunächst immer Geld - auch die Kunden. Wer darauf verzichtet, wird als Käufer von schlechten Produkten und als Markenhersteller von Rückrufaktionen und dem Verlust des guten Rufs eingeholt.

Artikel vom 13.04.2005