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Kleiner Junge aus Lippe
stirbt an BSE-Masern

Kinderärzte warnen vor steigenden Infektionszahlen

Von Ernst-Wilhelm Pape
Bielefeld (WB). Der sechsjährige Micha G. aus dem Kreis Lippe ist an einer tödlichen Gehirnentzündung, Spätfolge einer Maserninfektion, erkrankt. Der Junge wird nach Angaben des Kinderarztes Sean Monks aus München sterben. Der Arzt beklagte, dass in Deutschland zu wenig geimpft wird.

Die Gehirnentzündung SSPE (Subakute sklerosierende Panenzephalitis) sei eine unheilbare Masernkrankheit, sagte Monks, der dem Berufsverband der Kinder- und Jugendärzte in Deutschland angehört, gestern dieser Zeitung. Bei unter einjährigen Mädchen und Jungen betrage das Infektionsrisiko 1:5000. Monks: »Viele Eltern wissen nicht, dass Maserninfektionen solche dramatischen Folgen haben können, wie im Fall von Micha.«
Der Verlauf der Krankheit sei mit der Creuzfeldt-Jakob-Krankheit vergleichbar. Deshalb werde auch von BSE-Masern gesprochen. Die Rinderseuche BSE gilt als Ursache für die neue Form der Creuzfeldt-Jakob-Krankheit. Bei den BSE-Masern werde das Gehirn durch Viren komplett zerstört. Anfängliche Symptome seien Interessenlosigkeit, Apathie, nächtliche Angst und Wutausbrüche. Monate später kämen unnatürliche Bewegungen und geistiger Abbau hinzu.
Der Junge aus dem Kreis Lippe habe in sich in einer Kinderarztpraxis im Alter von fünf Monaten angesteckt. Die Infektion war von einem Elfjährigen übertragen worden, der nicht gegen Masern geimpft war. Aber erst nach dem Urlaub im vergangenen Jahr hätten die Eltern Veränderungen festgestellt. Mutter Oxana G.: »Das ging soweit, dass Micha mit den Laufen Schwierigkeiten hatte. Wir haben dann einen Spezialisten aufgesucht. Die Diagnose war für uns alle ein Schock.«
Nach Angaben von Monks liegen zwischen Infektion und dem Ausbruch der ersten Symptome mehrere Jahre. Die Medizin wisse nicht, weshalb bei manchen Menschen diese Erkrankung ausbreche und bei anderen nicht. Jungen scheinen häufiger betroffen zu sein als Mädchen.
Nach einer Untersuchung der Uni Würzburg seien seit 1988 insgesamt 120 Fälle von BSE-Masern diagnostiziert worden - fünf bis zehn Fäll pro Jahr. Bezogen auf die Zahl der Maserninfektionen in Deutschland bedeute dies, dass die tödliche Gehirnentzündung deutlich häufiger vorkomme als angenommen.
Während die skandinavischen Länder sowie Süd- und Nordamerika masernfrei seien, seien zum Beispiel in Österreich in den vergangenen Jahren zehn Jahren mindestens 16 Fälle dieser tödlichen Erkrankung bekannt geworden. Es sei ein Skandal, dass Menschen in Österreich oder Deutschland noch immer an dieser Infektionskrankheit sterben, kritisierte Monks die mangelnden Durchimfungsraten in diesen beiden Ländern.
Allein vom Institut für Virologie in Wien seien seit 1997 15 Menschen mit SSPE diagnostiziert worden. Es sei davon auszugehen, dass die großen Masernepidemien in den Jahren 1994 bis 1996 mit 30 000 Infektionen Auslöser für diese Erkrankungen waren. Es müsse vor weiteren SSPE-Fällen gewarnt werden, da diese tödliche Krankheit erst sieben Jahre nach den Masern auftrete.
Die Ständige Impfkommission am Robert Koch-Institut empfehle zwei Impfungen gegen Masern, Mumps und Röteln (MMR) in einem Alter zwischen elf Monaten und 24 Monaten. Die Weltgesundheitsorganisation habe für Deutschland das Ziel ausgegeben, die Masern bis 2010 zu eliminieren. Dazu seien aber Impfquoten für die erste und die zweite MMR-Impfung von mehr als 90 Prozent nötig.
www.kinderaerzte-im-netz.de

Artikel vom 11.04.2005