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Leitartikel
Wahlkampf und anderes

Wenn vieles
null und
nichtig ist


Von Rolf Dressler
Na, bitte, auch gleich zum Auf- takt der sogenannten heißen NRW-Wahlkampfphase packt einer schon mal den beliebten Rustikalhammer aus. SPD-Boss Franz Müntefering macht sich genüsslich lustig über Jürgen Rüttgers: Dieses »Weichei« von der CDU-Konkurrenz, dröhnt der Sauerländer, dürfe keinesfalls das Regierungszepter in Düsseldorf in die Hände bekommen. Gut Holz! Das kann ja noch heiter werden.
Denn vermutlich wird die Opposition derlei Häme nicht auf sich sitzen lassen wollen. Dass Glaubwürdigkeit und gar Ansehen von Politik(ern) und Parteien ohnehin auf einem historischen Dauer-Tiefpunkt angelangt sind, scheint des Kanzlers Chef-Terrier, den die Seinen »Münte« rufen, überhaupt nicht zu beeindrucken.
Ein ungleich weiserer Mann, der weltberühmte Cello-Virtuose und Dirigent Pablo Casals, meinte einst: Viele, zu viele Leute aus dem schillernden Kulturbetrieb seien ganz offenbar »von der fixen Idee besessen, dass nicht nur im Zirkus, sondern auch in Musik, Malerei und Literatur nur noch die Clowns eine Chance haben«. Genau wie im Politikgeschäft, wie ungezählte genervte und frustrierte, weil fehlregierte (Wahl-)Bürger spontan hinzufügen werden. Zum Beispiel die hiesigen im Lande zwischen Weser und Rhein, Ems und Sieg.
Abermillionen Menschen überall in Deutschland dürften zudem auch ein schelmisch ernst gemeintes Wort von Bertolt Brecht als hochaktuell empfinden, das da lautet: »Der größte Teil der kulturellen Produktion der letzten Jahrzehnte wäre durch einfaches Turnen und zweckmäßige Bewegung im Freien mit Federleichtigkeit zu verhindern gewesen.« Gewiss, gewiss - genauso wie der nicht eben unbeträchtliche Wust von Überflüssigem und objektiv Falschem, das die jeweils herrschende Politik Land und Leuten aufdrückt.
Man nehme nur den kalten Bruch des Maastrichter Stabilitäts- und Wachstumspaktes, der dem Publikum in Heiratsschwindler-Manier tatsächlich auch noch ungeniert als »Reform« verkauft wird. Oder das wohlverpackte rot-grüne Ungetüm-»Projekt« namens Antidiskriminierungsgesetz. Oder die unsägliche sogenannte Rechtschreibreform, die exakt dort gestrandet ist, wo sie zwangsläufig auf Grund laufen musste: in einem Kraut-und-Rüben-Desaster - nun schreibt Deutschland kreuz und quer durcheinander. Schlimmer geht's nimmer.
Was aber fällt unseren Talkrunden-Diskutanten und Wahlkämpfern ein? Sie flüchten sich in seit eh und je verblüffend ähnliche Nichts-und-gar-nichts-Phrasen:
- »Wer nur Forderungen stellt, wird der Lage nicht gerecht« (SPD-Kanzler Willy Brandt, 1973).
- »Es ist jetzt nicht die Zeit für neue Forderungen, ohne zu neuen Leistungen bereit zu sein« (SPD-Kanzler Gerhard Schröder heute).
- »Die Wende am Arbeitsmarkt ist möglich. Deutschland kann mehr. Es gibt da wichtige Signale« (alle Parteien: SPD, Grüne, CDU/CSU, FDP, sogar auch die PDS).
Merke: Wenn zu vieles nullwertig und nichtig ist, naht Gefahr.

Artikel vom 12.04.2005