11.04.2005 Artikelansicht
Ausschnitt Zeitungsausschnitt
Drucken Drucken

 

Fabrikschornstein fiel
nur mit Zeitverzögerung

Sekunden nach der Sprengung schwankte der Kamin

Von Burgit Hörttrich und
Bernhard Pierel (Fotos)
Bielefeld (WB). Um 13.35 Uhr zündete Sprengmeister Hans Vieth die Zwei-Kilo-Sprengladung. Es krachte, es staubte - aber der Schornstein auf dem ehemaligen Gelände der Helmut Elges GmbH in Quelle schwankte nur - ein, zwei Schrecksekunden lang. »Sch. . ., der Hund fällt nicht«, murmelte Hans Vieth. Dann aber brach der 55 Meter hohe Backsteinkamin doch zusammen.

Schließlich ist Hans Vieth ein Routinier mit jahrzehntelanger Erfahrung. »Mein 82. Schornstein,« sagt er. Und kein besonders hoher. Sein höchstes »Gebäude« sei ein 212 Meter hoher Sendemast gewesen, zuletzt habe er ein Hochhaus in Paderborn-Elsen in Schutt und Asche gelegt. »Spannend ist es immer,« räumt Vieth, der in Brackwede-Holtkamp zu Hause ist, ein.
Die Sprengung des Kamins sei so vorbereitet worden wie das Fällen eines großen Baumes. Hans Vieth: »Wir haben einen Keil 'rausgesprengt, ein Fallbett aufgeschüttet.«
Unterstützt wurde Vieth vom Technischen Hilfswerk (THW). Petra Löwe: »Wir machen das zu Ausbildungszwecken.« Sechs Nachwuchs-THWler waren mit ihr angereist. Petra Löwe: »Beim Oderhochwasser konnten wir unsere Sprengkenntnisse hervorragend einsetzen, haben dort ein Gebäude, einen Deich und eine Treibholzsperre weg gesprengt.« Jede Sprengung sei anders, da sei es nützlich, möglichst viele Erfahrungen zu sammeln.
Die Gütersloher Firma Hagedorn baut das 25 000 Quadratmeter große ehemalige Werkgelände zurück und erschließt es als Baugelände. Vieth hat für Hagedorn bereits vier Schornsteine in Schutt und Asche gelegt. Thomas Hagedorn: »Seit Ende Februar räumen wir die ehemalige Kugellagerfabrik - das waren 72 000 Kubikmeter umbauter Raum.« Jetzt müssen noch die Fundamente abgebaut werden. Hagedorn hat unter anderem in Bielefeld das Gelände an der Frachtstraße geräumt, das Areal der ehemaligen Lohmann-Werke an der Prießallee und in Stieghorst ein Fabrikgelände, auf dem eine Werkstatt der von Bodelschwinghschen Anstalten entstand.
Werden an der Dianastraße in Quelle keine Altlasten gefunden, hofft Hagedorn das baufertige Gelände im Juni an das Stadtplanungsbüro Enderweit + Partner übergeben zu können. Erschlossen werden sollen 33 Baugrundstücke mit einer Größe von jeweils mindestens 600 Quadratmetern. Vermarktet werden die Grundstücke von der Gustav Bokermann Projektierungs- und Immobiliengesellschaft mbH & Co. KG.
Die Helmut Elges GmbH gehört heute zur INA-Schaeffler Gruppe im fränkischen Herzogenaurach. Das ehemalige Werk II wurde 1992 still gelegt.
Um die Sprengung des Schornsteins mitzuerleben, waren mehrere hundert Menschen auf das ehemalige Fabrikgelände gekommen. Hagedorn hatte dafür gesorgt, dass - im Schatten von Bauschuttbergen - Essen und Trinken verkauft werden konnte. Die begehrtesten Plätze waren jedoch auf den Schutthalden, die Hobbyfotografen schon lange vor dem eigentlichen Sprengtermin besetzt hatten. Bis Hans Vieth und seine Mitarbeiter sie verscheuchten: »Alle in Deckung - mindestens bis hinter den Begrenzungszaun.«
Vieth gab das Signal zur Sprengung und stellte den Kontakt zur Ladung her.
Nachdem der Kamin - mit Zeitverzögerung - zusammen gebrochen war, war Vieth zufrieden: »Na also, hat doch alles prima geklappt.«

Artikel vom 11.04.2005