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Der »deutsche Putin« hilft

Firmen aus Ostwestfalen investieren in Russland -ÊClaas in Hannover

Von Bernhard Hertlein
Moskau/Bielefeld (WB). Ob Möbel oder Mähdrescher, Backpulver oder Auflieger für Lkw-Anhänger: Ostwestfalen-Lippe und Russland, das Partnerland der Hannovermesse, wachsen wirtschaftlich immer weiter zusammen.

»Neben China ist Russland derzeit hier die Weltregion mit der höchsten Aufmerksamkeit«, erklärte Harald Grefe, Außenhandelsgeschäftsführer der Industrie- und Handelskammer (IHK) Ostwestfalen. Nachdem zuerst die Währungsprobleme gelöst worden seien, ließen nun die höheren Rohstoffpreise die Kaufkraft der Bevölkerung rasch wachsen. Grefe: »Das bringt Chancen, die aber noch zu wenig genutzt werden«.
Dabei haben es deutsche Firmen aus der Sicht von IHK-Präsident Herbert Sommer gerade jetzt besonders einfach: »Präsident Putin nennen sie in Russland Ýden DeutschenÜ, seine Frau ist Deutsch-Lehrerin, Wirtschaftsminister German Gref deutschstämmig.« Sommer weiß, wovon er redet: Sein Bielefelder Fahrzeugbau-Unternehmen produziert selbst seit 1992 in Nowgorod Anhänger, Container und Chassis für Lkw. Um auch in sibirischer Kälte funktionsfähig zu bleiben, werden besonders robuste Stähle verwandt. Was Sommer in Russland produziert, bleibt zu 70 Prozent dort; 30 Prozent rollen in Länder wie Finnland und Kasachstan oder in Einzelfällen auch nach Deutschland. Die Bielefelder beschäftigen in Nowgorod, wo die IHK Ostwestfalen mehrere Jahre eine eigene Filiale finanzierte, 240 Mitarbeiter -ÊTendenz steigend.
Die diesjährige Partnerschaft zwischen Hannover und Russland führt dazu, dass Claas, Hersteller von Landmaschinen und Traktoren, erstmals auf der Industriemesse ausstellt. Vorm Russischen Pavillon (Halle 13) steht ein Mähdrescher der Harsewinkler, drinnen am Stand der Region Krasnodar ein Modell des neuen südrussischen Werkes. Schon im Mai wird die Produktion, in die Claas 20 Millionen Euro investierte, in Betrieb genommen. Im ersten Jahr sollen bereits 200 Mähdrescher der Typen Mega 350 und Mega 360 an die Landwirte ausgeliefert werden. Krasnodar, zwischen Kaspischem und Schwarzem Meer gelegen, ist mit seiner bis zu fünf Meter dicken Schicht schwarzer Erde die Kornkammer Russlands. Bei erfolgreicher Entwicklung wird das Werk bald für weitere zehn Millionen Euro ausgebaut. Da große Teile in Harsewinkel vorgefertigt werden, profitiert davon nach Angaben von Pressesprecher Horst Biere auch der Stammsitz der Unternehmensgruppe.
Europas führender Möbelhersteller, die Schieder-Gruppe, begann ihr Russland-Engagement 1992 in Kaliningrad, dem früheren Königsberg. Das dortige Polstermöbelwerk, das 70 Mitarbeiter beschäftigt, wird weiter ausgebaut. Der Gründer der Unternehmensgruppe, Rolf Demuth, glaubt an die Zukunft der russischen Exklave: »Die Aufbruchstimmung ist genau so groß wie in den sechziger Jahren in den so genannten Tigerstaaten.« Schieder werde außerdem noch in diesem Jahr den Grundstein für eine Kastenmöbel-Produktion in Kostroma legen, auf halber Strecke zwischen Moskau und Petersburg. In dieses und zwei weitere Werke sollen bis 2008 insgesamt 50 Millionen Euro investiert werden.
Mütterchen Russland fasziniert auch Mittelständler wie Dirk-Walter Frommholz: »Die so genannten neuen Russen haben Geld und sind bereit, es auszugeben.« Gefragt seien voluminöse Polstermöbel, die auch als Schlafbett eingesetzt werden können. Frommholz: »Bevorzugt sind Plüsch und kräfitge Farben.«ÊNach anderen Erfahrungen etwa im arabischen Raum schätzt der Spenger die Mentalität: »Ob Zahlungen, Termin- oder andere Absprachen -ÊAbmachungen werden einfach eingehalten.«

Artikel vom 09.04.2005