Wertheim: Aufstieg in Berlin - Untergang mit Nazis
Berlin (WB). Weil es der Kundschaft aus den »besseren« Kreisen in den 1880-er Jahren peinlich war, ein Geschäft zu betreten, in dem alle gleich behandelt wurden, gaben sie vor, »nur für den Dienstboten« einzukaufen. Die Waren sollten zudem in neutrales Papier eingewickelt werden. Buchcover der Geschichte über den Aufstieg und Fall der Kaufhaus-Dynastie Wertheim.
Inzwischen hat sich viel geändert. Manche glauben gar, die Geschichte des Warenhauses sei angesichts der Krise von Karstadt bereits an ihrem Ende angekommen. Da lohnt ein Blick zurück zu den Anfängen, die unter anderem von der Kaufhaus-Dynastie der Wertheims geprägt wurde. Schon die Pioniere, so schildern es Erika Fischer und Simone Ladwig-Winters in ihrer zwei Jahrhunderte umfassenden Familiengeschichte »Die Wertheims«, mussten sich mit dem vor allem von anti-semitischen Zeitungen erhobenen Vorwurf auseinandersetzen, sie betrieben einen »Ramschbazar«. Doch die Kampagne lief ins Leere -Êunter anderem, weil die Kunden merkten, dass bei den Wertheims wie auch in anderen Warenhäusern ganz reell regulär eingekaufte Ware angeboten wurde. Der Aufstieg der Wertheims erfolgte zeitgleich mit dem Aufstieg Berlins. In der Hauptstadt betrieben sie, inzwischen in der Mehrzahl zum Christentum übergetreten, das zu seiner Zeit größte und prächtigste Warenhaus. Doch dann kamen die Nazis und zwangen Georg Wertheim, seine Anteile auf seine Frau zu überschreiben und aus der Geschäftsführung auszuscheiden. Nach 32-jähriger Ehe musste er sich von seiner »arischen« Frau scheiden lassen. Andere Familienmitglieder wurden von den Nazis in die Flucht getrieben oder deportiert. Trotzdem stuften die Sowjets die Eigentümer der Kaufhauskette nach 1945 als Kollaborateure ein und enteigneten sie. Über den Zusammenschluss mit Hertie gelangte das Unternehmen schließlich unter das Dach des Karstadt-Konzerns, der sich nun heute, mitten in seiner schwersten Unternehmenskrise, nach Erbe mit den gerichtlich bereits positiv beschiedenen Entschädigungsansprüchen der Familie auseinandersetzen muss. Bernhard Hertlein ERIKA FISCHER/SIMONE LADWIG-WINTERS: Die Wertheims - Geschichte einer Familie, 384 Seiten, Verlag Rowohlt, 19,90 Euro
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