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»Noch genügend Wähler, die überzeugt werden wollen«

Heute im Gespräch: der SPD-Landesvorsitzende Harald Schartau

Bielefeld (WB). Ungewohnt deutlich liegt Rot-Grün im Landtagswahlkampf zurück. Dennoch gibt sich SPD-Landeschef Harald Schartau sechs Wochen vor der Wahl keineswegs geschlagen. Reinhard Brockmann sprach mit dem Mann, der vor allem sein eigenes Lager noch motivieren will.
Ist bei Ihnen die Stimmung noch besser als in den Umfragen? Schartau: Die wichtigste Umfrage findet am 22. Mai statt. Die Stimmung ist unverändert kämpferisch. Jeder sieht, dass wir einen dornigen Weg vor uns haben, aber wir werden gewinnen.

Neun Prozent Vorsprung für Schwarz-Gelb sechs Wochen vor der Wahl hauen den Motivationstrainer nicht um? Schartau: Überhaupt nicht, denn es wechselt ja fast täglich. Es spornt eher an. Unser Ziel ist eine hohe Mobilisierung auch solcher Wähler, die sich noch nicht entschieden haben oder zuletzt zu Hause geblieben sind. Der augenblickliche Vorteil der CDU resultiert ausschließlich daraus, dass sie ihre Leute schon jetzt vollständig mobilisiert hat. Wir haben da noch Reserven.

800 000 Stimmen von der Sofa-Partei holen, wie geht das?Schartau: Es gibt genügend, die noch überzeugt werden wollen. Unser Potenzial ist vollkommen ausreichend, wenn wir die Mobilisierung schaffen.

Laut Frau Merkel hat niemand die Absicht, das Bafög abzuschaffen. Haben Sie die Absicht hier Stimmen zu holen?Schartau: Mit Sozialdemokraten muss niemand darüber reden, dass das BaföG große Bedeutung hat, um breiten Bevölkerungsschichten ein Studium zu ermöglichen. Das Erststudium muss gebührenfrei bleiben. Damit stellen wir uns vor die Studenten.

Merkel und Rüttgers werfen Ihnen vor, dass die Arbeitslosigkeit in NRW stärker als in allen anderen Westländern steigt. Kann man noch dagegen halten? Schartau: Ja, man kann. Die CDU wollte, wie wir, dass von 2005 an aus zwei Unterstützungssystemen für Menschen ohne Arbeit eines wird. Das führt zu höheren Zahlen in der Arbeitslosen-Statistik. Ansonsten sind die Zuwachszahlen bei der Arbeitslosigkeit in den südlichen Ländern ähnlich wie in NRW. Die Union sollte besser nicht so auf den Putz hauen.

Es gibt jetzt deutlich mehr als eine Million Menschen ohne Arbeit in NRW und niemand weiß, wo richtige Vollarbeitsplätze herkommen sollen...Schartau: Man sollte genauer hinschauen. Wir haben bei einem geringfügigen Rückgang der sozialversicherungspflichtigen Voll-Arbeitsverhältnisse eine deutliche Zunahme der Erwerbstätigkeit. Es gibt jetzt schon ganz andere Muster, sein Geld zu verdienen. Damit meine ich zum Beispiel Selbständigkeit oder eine Kombination aus Teilzeitjob und einem anderen geringfügigen Einkommen. Arbeitsplätze entstehen derzeit in Nordrhein-Westfalen im Bereich der Logistik, selbst in der Möbelindustrie und durch neue Technologien, etwa in Dortmund.

EU-Richtlinien ärgern auch die SPD. Jetzt überholt Sie Edmund Stoiber von links und fordert Mindestlöhne.Schartau: In einem Gespräch mit Günter Verheugen und dem deutschen Handwerk über die Entsenderichtlinie habe ich schon vor drei Wochen die Möglichkeit von Mindestlöhnen für diskussionswürdig gehalten. Vor Monaten haben wir über Mindestlöhne für unsere Leute im Lande gesprochen. Die Frage ist doch: Brauchen wir nach der Öffnung der Grenzen in Europa Schutzmaßnahmen gegen Dumpinglöhne? Dieser Diskussion stehe ich aufgeschlossen gegenüber. Wir werden ganz schnell wieder bei den Schwierigkeiten sein, die die Debatte schon vor einem halben Jahr aufgezeigt hat bezüglich regionaler und branchenabhängiger Unterschiede. Aber, da die Union jetzt einschwenkt, kann man auch schneller zu einer Lösung kommen.

Die Grünen bereiten nicht nur Freude, dennoch haben sie sich soeben Seite an Seite mit Höhn und Vesper gezeigt.Schartau: Unsere beiden Parteien haben miteinander die größten Schnittmengen. Das ist so. Das täuscht aber nicht darüber hinweg, dass ich Wahlkampf für »SPD pur« führe. Es gibt nur eine Stimme auf dem Stimmzettel, deshalb ist meine Haltung zu 100 Prozent klar: Die Stimme gehört der SPD.

Artikel vom 09.04.2005