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Schweigen und Ergriffenheit beim Abschied im Paderborner Dom

200 Gläubige verfolgen Übertragung aus Rom auf Großbildleinwand

Von Hubertus Hartmann
Paderborn (WB). Im Hohen Dom herrscht Stille. Keine Orgel, keine Gesänge. Dort, wo sonst der Erzbischof das Pontifikalamt zelebriert, steht eine Großbildleinwand. Gut 200 Gläubige verfolgen schweigend die Beisetzungsfeierlichkeiten für den Heiligen Vater. Nur der Ton der Liveübertragung aus Rom und die getragenen Worte der Kommentatoren, Pfarrer Erwin Albrecht und Kirchenfachmann Martin Posselt, erfüllen den Raum.

Er scheint, als hielte die Welt für einen Augenblick den Atem an. In Paderborn ebenso wie in weiten Teilen der Erde. Ganz hinten, in einer der letzten Bänke, hat eine junge Frau, Ende 20, das Kinn in die Hände gestützt. Zwischen den Fingern knetet sie ein Taschentuch. Ihre Augen schimmern feucht. Wo in diesen Stunden ihre Gedanken sind, lässt sich erahnen.
Die Mehrzahl der Dombesucher ist an diesem Freitagmorgen in sich gekehrt. Die Menschen lassen die Fernsehbilder auf sich wirken. »Das ist, wie schon bei Paul VI., der schlichteste Sarg, den ich je gesehen habe«, flüstert Prof. Hans Jörg Urban (65), als der einfach gezimmerte Zedernsarg in Nahaufnahme eingeblendet wird. »Der Einfachste von uns würde sich so nicht bestatten lassen«, für diesen Papst sei die Form des Sarges aber ein Zeichen mit Symbolcharakter, meint Urban.
Wer in den Paderborner Dom gekommen ist, um von Johannes Paul II. Abschied zu nehmen, tut dies ohne Worte. Dompropst Wilhelm Hentze, der die Anwesenden kurz begrüßt hat, spricht von »einer Art geistlichen Kommunion«.
Die meisten Gläubigen im Mittelschiff verharren während der gesamten, gut dreistündigen Übertragung in ihren Bänken. Auffällig groß ist die Zahl der Jugendlichen. Eine Klasse der Realschule St. Michael und eine Berufsgrundschulklasse des Helene-Weber-Berufskollegs haben - auf Wunsch der Schülerinnen - unterrichtsfrei bekommen, um die Übertragung aus dem Vatikan gemeinsam zu erleben. »Du heiliger Papst der Jugend«, hat jemand ins Kondolenzbuch geschrieben. »Du warst ein wundervoller Papst, der die Jugend begleitet hat«, steht an anderer Stelle.
Doch es gibt auch kritische Stimmen. Der 70-jährige Dieter Böning ist aus Brilon angereist und bemerkt: »Jetzt herrscht große Euphorie, doch es wird die Zeit kommen, wo man auch sieht, was der Papst nicht getan hat«. Er persönlich hätte sich vom Oberhaupt der Katholischen Kirche mehr Ökumene gewünscht.
Im hinteren Bereich des Domes herrscht ein ständiges Kommen und Gehen. Manche, ganz offensichtlich Paderborn-Touristen, schauen nur mal kurz herein. Einige zünden eine Kerze an. Ein Paderborner Geschäftsmann kommt während der Predigt von Kurienkardinal Joseph Ratzinger. Er kniet, in frommer Andacht versunken, für fünf Minuten nieder, spricht wahrscheinlich ein Gebet und eilt wieder zurück in seinen Laden.
So nimmt in der ostwestfälischen Bischofstadt jeder auf ganz persönliche Weise Abschied von einem charismatischen Kirchenführer. »Eigentlich bin ich ja nicht so religiös«, bekennt die 17-jährige Michelle Kemp aus Paderborn. »Aber der Papst war ein so großer Mann, da muss man auch mal in die Kirche gehen.«
»Es ist schon eine tiefe Ergriffenheit zu spüren«, stellt Dompropst Hentze fest. Zum ersten Mal überhaupt hat es eine solche Übertragung auf eine Großleinwand im Dom zu Paderborn gegeben. »Außergewöhnliche Ereignisse verlangen eine außergewöhnliche Darstellung«, sagt Domprobst Hentze.
Johannes Paul II. hat, wie noch nie ein Papst zuvor, die Medien genutzt, um das Wort Gottes in die Welt zu tragen. Auch in Paderborn beginnt diese Saat zu keimen.

Artikel vom 09.04.2005