16.04.2005
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»Entscheidend für die Leselust sind Erfahrungen im Vorlesealter«, sagt Jens Thiele, Direktor der Forschungsstelle für Kinder- und Jugendliteratur der Universität Oldenburg. Erwachsene sollten Vorbild sein und nicht nur die Tageszeitung lesen. Bücher gehörten als Angebot in die Umgebung des Kindes.
Kinder schauen nicht nur die Bilder an und hören zu. Dinge, die sie nicht verstehen, wollen besprochen werden. Alltägliche Erfahrungen und Gefühle spiegeln sich in den Geschichten wieder. »Besonders kleine Kinder bringen sich direkt ein mit ihrem Erfahrungshorizont und sind sehr neugierig. Sie entwickeln schon früh ein Wertesystem«, betont Thiele. Nähe zu dem Vorlesenden und das Gefühl der Geborgenheit bieten einen »Schutzraum« und Kommunikation zugleich.
Märchen sind nach Auffassung des Kulturwissenschaftlers für jedes Alter geeignet. Auf symbolische Weise machen sie mit den elementaren Wahrheiten des Lebens vertraut. Zum Beispiel bei Dornröschen mit dem Warten, bei Hänsel und Gretel mit dem Bösen und dem Tod. Bei Rotkäppchen geht es um Unangepasstheit, wenn das Kind nicht auf die Mutter hört, aber genau dadurch auch dem Wolf entkommt.
Trotz aller Liebe zu Büchern raten die Fachleute, nicht nur auf Lesestoff zu setzen. Kinder sollen lernen, dass jedes Medium eine bestimmte Funktion hat und nicht alle gleich gebraucht werden. Beim Hören einer Kassette kann man nebenher aufräumen oder malen. Ein Buch erlaubt dem Leser, sich zurückzuziehen und in eine andere Welt abzutauchen.
Artikel vom 16.04.2005