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Therapie für den
Täter unerlässlich

Neuneinhalb Jahre Haft verhängt

Bielefeld (uko). Neun Jahre und sechs Monate Haft wird der Bielefelder Dieter S. wegen sexuellen Missbrauchs von Kindern absitzen. Dieses strenge Urteil fällte am Donnerstag die Jugendkammer des Landgerichts. S. akzeptierte das Urteil.

Über den unglaublichen Zeitraum von zehn Jahren bis 2004 hatte der selbstständige Transportunternehmer sich Lebenspartnerinnen mit kleinen Kindern gesucht, die er dann zu seinen Missbrauchsopfern machte. So waren seine Adoptivtochter (zu Beginn der Taten elf Jahre alt), seine Nichte (ebenfalls mit elf Jahren) und die Tochter seiner Lebensgefährtin (mit zehn Jahren) Opfer seiner perversen Übergriffe geworden.
Der 45-jährige Bielefelder hatte am ersten Prozesstag ein knappes Geständnis abgelegt, nachdem er die massiven Vorwürfe seit seiner Inhaftierung mit perfiden Argumenten bestritten hatte: Er sei von den Mädchen verführt worden. Die jungen Opfer hatten daher im Landgericht erleichtert auf die Nachricht reagiert, nach dem Geständnis nicht mehr aussagen zu müssen. Selbst in den Familien hatte man den Vorwürfen der Mädchen nicht unbedingt Glauben geschenkt.
Während das voraussichtliche Strafmaß bereits von der Kammer mit »unter zehn Jahren« avisiert worden war, sorgte gestern allein die Entscheidung über eine mögliche Sicherungsverwahrung des Mannes für Spannung. Staatsanwalt Lothar Hirschberg hatte sich vehement für die Verhängung dieser Maßregel ausgesprochen, Verteidiger Dirk Thenhausen dagegen.
Die Jugendkammer unter Vorsitz von Reinhard Kollmeyer schloss sich letztlich gegen die Expertenmeinung der Sachverständigen der Forderung der Verteidigung an. Zwar lägen die formellen Voraussetzungen für die Verhändung der Sicherungsverwahrung vor, doch sei bei aller Strenge »Vorsicht geboten«. Die im Jargon der Strafgefangenen als »Rucksack« bezeichnete Maßregel bedeute für Sexualstraftäter ein wirkliches Lebenslänglich, die Sicherungsverwahrung müsse demnach als ultima ratio »unerlässlich sein«, sagte Kollmeyer. Dieser Angeklagte indes habe in der Vergangenheit bewiesen, dass er äußerem Druck zugänglich sei und ihm gesetzte Grenzen akzeptierte. Kollmeyer folgerte das im Hinblick auf eine für Dieter S. zwingend notwendige Therapierung. Der Mann müsse die Strafhaft von neuneinhalb Jahren unbedingt dazu nutzen, sonst werde er die Zeit in voller Länge absitzen müssen.
Dieter S. akzeptierte gestern direkt im Anschluss an die Verhandlung das Urteil, das nach Zustimmung des Staatsanwalt bereits rechtskräftig ist. Er will so schnell als möglich in eine Strafanstalt mit Therapieeinrichtung verlegt werden. In der Untersuchungshaft sei er schon massiven Repressalien ausgesetzt gewesen.

Artikel vom 08.04.2005