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Eingängig, aber
doch tiefgründig

Umjubelte Premiere in Gütersloh

Von Thomas Strünkelnberg
Gütersloh (dpa). Die Premiere ist gelungen. Vor allem Kinder haben den Auftakt der Aufführungsserie von Hans Werner Henzes Märchenoper »Pollicino« zum Erfolg gemacht.

Lustvoll zirpte, donnerte und flötete es aus Henzes Märchenwald, als Pollicino und seine sechs Brüder ausgesetzt wurden und beinahe als Mahl des Menschenfressers Fürchterlich endeten. Charmant und mit toller Stimme sang vor allem der 11 Jahre alte Simon Mayer die Rolle des Pollicino - fast 500 Premierengäste in der Stadthalle applaudierten stehend.
Mit Streichpsalter und anderem exotischen Instrumentarium setzten Kinder der Choralsingschule Gütersloh sowie ein Orchester aus Musikschülern aus Münster und Gütersloh Henzes Bühnenhit unter der Leitung von Joachim Harder in Szene. Als Bühnenbild diente eine Kiste in der Mitte der Bühne - zu allen Seiten zu öffnen und je nach Drehrichtung mal die Wohnung der Eltern Pollicinos, die Höhle des Menschenfressers oder ein Wald. Für Phantasie und Farbenpracht des Projektes sorgten die Kostüme von Erika Wawerka - der Menschenfresser erschien als Wurst mit blutiger Metzgerschürze.
Henzes Kinderoper ist ein Meisterwerk: Amüsant und auf Kinder zugeschnitten, eingängig, aber doch tiefgründig und nie platt, erkennbar modern und zeitgenössisch, aber mit ihren Märschen und zarten Melodien doch gefällig. Dabei ist die Oper - abgesehen von wenigen Erwachsenen-Partien - auch von Kindern zu bewältigen. »Die Oper ist Modell geworden für das, was Kindertheater sein kann«, schwärmt Ernst Leopold Schmid, Leiter der Landesmusikakademie.
Das war Henzes Ziel, als die 1980 uraufgeführte Oper einer jugendlichen Laientruppe im italienischen Festspielort Montepulciano auf den Leib schrieb. Die Handlung basiert auf Motiven aus Perraults Märchen »Le petit poucet« (»Der kleine Däumling«), das Collodi ins Italienische übertrug und das so den Brüdern Grimm als Vorlage für »Hänsel und Gretel« diente. Kinder und Erwachsene, Amateure und Berufsmusiker sollten gemeinsam auf der Bühne stehen.
Und das Konzept ging auch in Gütersloh auf. Der Leiter der Choralsingschule, Siegmund Bothmann, hatte die Kinder, neben Simon Mayer vor allem die 12-jährige Michelle Stolte in der Rolle der Menschenfresser-Tochter Clotilde, glänzend vorbereitet. Selbstsicher und mit Freude am Spiel sangen die jungen Darsteller ihre Rollen. Viel Spiellaune bewiesen auch die beiden erwachsenen Sänger, Bettina Pieck (Mezzosopran) und Christopher Jung (Bariton) in den Doppelrollen als Pollicinos Eltern und Menschenfresser-Ehepaar. Für Jung war es eine Rückkehr zu dem Stück - schon 1982 hatte er als Kind in Mannheim mitgesungen.
(Weitere Aufführungen: 10., 11., 12., 13. April in Gütersloh, 24. Mai in Marl, 28. Mai in Bocholt, 12. Juni in Münster)

Artikel vom 09.04.2005