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Leben in kultureller Vielfalt - Chance mit Schattenseiten

Leitthema des 17. »Forums Offene Wissenschaft«

Bielefeld (sas). 200 Zuhörer sind im vergangenen Semester ziemlich regelmäßig zu den Vorträgen des »Forums Offene Wissenschaft« in die Universität gekommen. »Für viele ist der Montagabend offensichtlich ein fester Termin«, freut sich Prof. Dr. Ludwig Huber, einer der Veranstalter. In diesem Jahr haben sich die »Macher« erneut auf ein Leitthema verständigt, das sowohl gesellschaftlich relevant und aktuell ist, als auch interdisziplinär betrachtet werden kann und sollte: »Leben in kultureller Vielfalt«.

»Das Leben scheint heute komplizierter zu sein als in monokulturellen Gesellschaften«, führt Huber aus. Die Reihe behandele deshalb ausdrücklich die Chancen, die in einer vielfältigen Gesellschaft liegen: »Die Selbstbesinnung, die Chancen für das Gespräch, die Entwicklung einer Verständigungsfähigkeit über die Grenzen hinweg.« Und der Vortrag des Linguisten Prof. Dr. Peter Finke (»Zwischen Wildnis und Monokultur«) ist eigens der Notwendigkeit von Vielfalt gewidmet, wie auch der Literaturwissenschaftler Prof. Dr. Dafydd Gibbon sich für den Erhalt der Sprachenvielfalt einsetzt.
»Ebenso werden aber auch Schattenseiten thematisiert: die Ungleichheit der Bildungschancen, Parallelgesellschaften und Ghettobildung«, sagt Huber. Als Referenten wurden Wissenschaftler der heimischen Alma mater gewonnen, aber auch Kollegen anderer Hochschulen, ein Vertreter des Deutschen Kulturrates oder Politiker. »Möglich ist das nur dank der langjährigen Unterstützung durch die Universitätsgesellschaft«, würdigt Finke deren Engagement.
Jeweils 45 Minuten dauern die Vorträge, daran schließt sich stets eine lebhafte und intensive Diskussion an, freut sich Dr. Helga Jung-Paarmann. Woran genau sich Kontroversen entzünden, ist schwer vorherzusagen. Wenn der Islamwissenschaftler Prof. Dr. Muhammad Kalisch ausführt, wie der Islam das Christentum sieht, wenn der kritische Blick einer Religion auf die andere erfolgt, könne das verunsichernd wirken, meint Huber. Ebenso kann die Frage der Sprachenvielfalt versus Verständigung (»Sollen wir alle nur noch Englisch sprechen?«) für Zündstoff sorgen. »Kultur ist sprachbezogen. Und Kulturverschiedenheit ist gekoppelt mit Sprachenvielfalt«, sagt Finke. Wenn also jedes Jahr zehn bis 20 Sprachen und Dialekte aussterben, sieht er das als ernste Bedrohung der Vielfalt.
Finke gehört zu den Gründern des Forums Offene Wissenschaft, das es seit 17 Semestern gibt. »Hervorgegangen ist es aus einem Seminar mit Studierenden und Professoren aus acht Fakultäten«, erzählt er. Das weckte bei den Teilnehmern die Lust auf mehr: Sie organisierten eigenmächtig, selbstverantwortlich und mit Erfolg das Forum. Gerade vor dem Hintergrund der neuen Studienordnungen und einer zugespitzten Spezialisierung sieht Finke in einer solchen Reihe einen wichtigen Gegenpol. Insofern hoffen er und seine Mitstreiter auf noch stärkeren Zulauf von Seiten der Studierenden.
Natürlich soll sich jeder den Vortrag herauspicken, der ihn interessiert. Noch lieber aber ist es den Veranstaltern, wenn möglichst viele oder gar alle gehört werden: Das erst ergibt ein Bild. Auftakt der Reihe ist am kommenden Montag, wenn der Amerikanist Prof. Dr. Klaus P. Hansen über die Frage »Kulturnation ohne Nationalkultur?« spricht und über die Bedeutung von Kultur für das kollektive Handeln nachdenkt. Alle Vorträge finden montags von 18.15 bis 19.45 Uhr in Hörsaal 12 der Universität statt. Mehr unter www.uni-bielefeld.de/forum.

Artikel vom 08.04.2005