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Leverkusen schweigt

Auch gegen Dortmund spielt Bayer ganz schwach

Leverkusen (dpa). Die Profis von Bayer 04 Leverkusen verweigerten nach der 0:1-Vorstellung gegen Borussia Dortmund die Aussage und ließen ihre Frauen die vor der BayArena geparkten Autos abholen.
»Ich habe das nicht angeordnet, dass waren ihre individuellen Entscheidungen, die sie wohl aus ihrer Enttäuschung heraus getroffen haben«, sagte Bayer-Geschäftsführer Wolfgang Holzhäuser über die Flucht der Spieler. Dass dem Champions-League-Achtelfinalisten, der vor kurzem noch Real Madrid, AS Rom und Dynamo Kiew das Fürchten lehrte, die Spielkultur total abhanden gekommen ist, sorgt für Ratlosigkeit. »Die Bemühungen waren da, nur der Wille fehlte. Das hat etwas mit dem Kopf zu tun«, meinte Bayer-Chefcoach Klaus Augenthaler.
»Jeder Einzelne erreicht momentan nicht seine Qualität. Da lässt man leicht den Kopf hängen«, urteilte Sportdirektor Rudi Völler, der angesichts dieser Verfassung die UEFA-Cup-Teilnahme in Frage stellt: »Die Gefahr ist da. Denn wir müssen uns nicht nur darauf konzentrieren, wieder nach oben zu kommen, sondern auch auf nachdrängende Mannschaften wie Dortmund schauen.« Immerhin liegt der aufstrebende BVB mit nur zwei Zählern Rückstand hinter dem Siebten, den vier Punkte von Rang fünf trennen.
Um die mentale Blockade vor dem Gastspiel bei Schlusslicht SC Freiburg wieder zu lösen und das Team nach sechs sieglosen Bundesliga-Partien wieder auf Erfolg zu trimmen, möchte Augenthaler mit seinem Team während eines außerordentlichen Trainingslagers Seelenmassage betreiben. »Sie über einen Aschenplatz oder Nägel laufen zu lassen nützt nichts. Ich halte nichts von Straftraining und Aktionismus, die Mannschaft muss sich selbst zusammenraufen«, betonte Augenthaler, »aber vielleicht helfen Einzelgespräche.«
Nach den Appellen und Beschwörungen nach der blamablen 0:1-Pleite eine Woche zuvor in Bielefeld will die Bayer-Chefetage auch nicht weiter auf das Team draufhauen. »Wenn in meiner Schulzeit einer gesagt hat, ich war beschissen, wurde ich noch beschissener. Die Spieler brauchen ein positives Grundgefühl«, meinte Holzhäuser. Er verhehlte aber auch nicht, zusammen mit der sportlichen Leitung an einer personellen Auffrischung des Kaders zu arbeiten: »Wir wollen nichts über das Knie brechen, sind aber auf dem Markt tätig.«
Neue Tatkraft und eine Portion Glück sorgen hingegen beim Krisen geschüttelten BVB für sportlichen Aufwind. »Ich wusste immer, dass wir ein größeres Potenzial haben, doch an so eine Dynamik habe ich nicht geglaubt«, freute sich Abwehrspieler Christoph Metzelder, dämpfte aber eine neue Europacup-Euphorie. »Nach allem, was im letzten Jahr passiert ist, wäre es eine Sensation, wenn wir in den UI-Cup kommen.«
Den ersten Borussia-Sieg in Leverkusen seit dem 16. November 1991 sicherte Sebastian Kehl mit seinem Tor in der 88. Minute. Und auch er gab die Parole aus, auf dem Teppich zu bleiben. »Es muss weiter die Bescheidenheit im Vordergrund stehen«, so Kehl. Noch-Manager Michael Meier jedoch konnte das Träumen nicht lassen: »Ein UEFA-Cup-Platz ist denkbar. Die Voraussetzungen dafür haben wir geschaffen.«

Artikel vom 11.04.2005