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Immer linksrum ans Meer?
Wie die Giraffen-Gang dahin kam, wo sie nicht hinwollte
Wenn man ein Ziel hat, dann sollte man auch den Weg kennen. Das wissen die Giraffen jetzt...!
Die Giraffen-Gang dümpelte im trüben Tümpelwasser herum. »Wisst ihr was«, seufzte die immerhungrige Giraffe, »ich würde gerne mal ans Meer reisen und in die Wellen springen!« »Prima Idee!«, antworteten die anderen wie aus einer Schnauze, schwammen ans Ufer und rissen sich die Badekappen von den Köpfen. Sie packten ihre Sachen und machten sich fröhlich pfeifend auf den Weg.
»Wo geht's denn lang?«, fragte die kleine Giraffe. »Wenn wir immer nach links gehen, dann müssen wir ja automatisch irgendwann ans Meer kommen, oder?«, sagte die weise Giraffe. Die anderen nickten ahnungslos und trotteten der weisen Giraffe hinterher. Sie wanderten quer durch die Savanne, doch nach einiger Zeit fingen die ersten an zu stöhnen. »Wie weit ist es denn noch?« »Ich kann nicht mehr laufen!« »Boh, meine Hufe machen gleich schlapp!« Die weise Giraffe verdrehte genervt die Augen und führte die Truppe zu einem Fahrradverleih.
Die jammernden Giraffen verstummten und grinsten, weil ihnen die Idee mit der Radtour ausgesprochen gut gefiel. Schnell schnappten sie sich die Fahrradhelme und schwangen sich in Zweiergruppen auf die bunt bemalten Tandemräder. Den ganzen Tag fuhren sie mit ihren Rädern, doch ans Meer kamen sie trotzdem nicht. Als es dämmerte, ließen sie sich erschöpft von den Rädern plumpsen und machten ein Lagerfeuer.
Die weise Giraffe räusperte sich verlegen und sagte:»Tja, äh, ich weiß auch nicht, wo das Meer hin ist. Vielleicht ist ja gerade Ebbe. Heute können wir es jedenfalls nicht mehr suchen!« »Ich kann auch beim besten Willen nicht mehr fahren!«, stöhnte eine andere Giraffe und fügte hinzu: »Ich brauche jetzt dringend Futter!« »Na, dann packt mal den Proviant aus euren Rucksäcke aus!«, sagte die große Giraffe. Die um das Lagerfeuer hockenden Tiere guckten sich an und breiteten dann Badehosen, Sonnenmilch, Schnorchel, leuchtend gelbe Gummischwimmflossen, ein Badehandtuch, Schaufeln, Sandeimer und Förmchen auf dem Boden aus. Keiner von ihnen hatte etwas Essbares eingepackt. Keiner, außer der immerhungrigen Giraffe, die vorsorglich eine Tüte Gummibärchen in den Rucksack gestopft hatte.
Schnell schnappte sie sich die Tüte, presste sie fest gegen ihren knurrenden Bauch und guckte die anderen grimmig an. Als sie jedoch in die bittenden Gesichter blickte, gab sie nach und reichte die Tüte in der Runde herum. Kauend und schmatzend starrten die Giraffen ins Feuer, als es plötzlich im Gebüsch laut knackte. Die Augen weit aufgerissen, rückten sie ängstlich aneinander. Ihre Herzen pochten laut. Wo waren sie nur und was befand sich dort im Gebüsch? Ein gefährlich hungriger Löwe oder gar ein Savannengespenst?
Mit einem Mal sprang eine dicke, kichernde Giraffe aus der Dunkelheit hervor. »Ihr wolltet doch ans Meer. Warum macht ihr denn hier ein Tümpellagerfeuer?« Die Giraffen blickten sich verwundert um und erkannten nun schemenhaft die Umrisse ihres Savannentümpels. »Wir sind im Kreis gefahren!«, lachten sie, eilten erleichtert zu ihren Vorräten und beschlossen, das nächste Mal besser den Savannenbus zu nehmen.

Artikel vom 23.04.2005