08.04.2005 Artikelansicht
Ausschnitt Zeitungsausschnitt
Drucken Drucken

 

Leitartikel
Das Testament des Papstes

Die größte Wahrheit ist die einfache


Von Reinhard Brockmann
»Ich hinterlasse keinen Besitz irgendwelcher Art, für den Anweisungen nötig wären.«
Das Testament Papst von Johannes Pauls II. verleiht dem heutigen Tag seiner Beisetzung unter Anteilnahme fast der gesamten Menschheit Spiritualität, Tiefe und Anspruchslosigkeit.
Irdischer Besitz ist Nebensache. Geistigen Reichtum hinterlässt er uns dagegen in Überfülle. Wer immer noch ungläubig vor den unglaublichen Bildern der Massen in der Ewigen Stadt steht, bekommt nunmehr noch geistige Wegzehrung dazu. Es lohnt, die 15 losen Blätter nachzulesen, die für viele Einstieg in die großen Bücher bedeuten könnte, die dieser Papst der Christenheit hinterlässt. Die Trauer um den größten Papst, den zumindest die Jetztzeit im wahrsten Wortsinne »erleben« durfte, könnte zum Beginn einer neuen Spiritualität und Glaubensorientierung werden.
Niemand erwartet, wie gerade in Deutschland zu hören, dass fortan die Sonntagsgottesdienste wieder aus allen Nähten platzen. Aber eine größere Zahl von Menschen als allein das längst aufgewachte Kirchentagspublikum weiß nun, dass Kirche, Glaube und Beten ein Erlebnis christlicher Gemeinschaft sein können. Der im Sommer anstehende Weltjugendtag auch in Ostwestfalen-Lippe und zum Abschluss in Köln wird zu dieser Erfahrung beitragen.
Aus dem teilweise schon in den frühen Jahren seines Papsttums verfassten Testament geht nicht hervor, ob der Heilige Vater eine Ahnung davon hatte, welche Bewegung sein eigenes Leiden und Sterben auslösen würden. Ziemlich unverständlich klingt da, dass er im Jahr 2000 zeitweise an Rücktritt gedacht hat. »Jetzt, da mein Lebensalter auf die 80 zugeht«, ergänzt er am 17. März 2000, sei zu fragen, ob er die Kirche noch ins dritte Jahrtausend führen könne.
Immer wieder taucht auch das Attentat auf dem Petersplatz, bei dem er 1981 schwer verletzt wurde, in den Texten auf. »Die göttliche Vorsehung hat mich auf wundersame Weise vor dem Tod gerettet«. So spricht ein Mensch, der sich ganz in Gottes Hand gelegt sieht, der seinen Glauben lebt und reflektiert. Authentizität, will sagen: Ehrlichkeit und Wahrheit, das ist die schlichte Erklärung für dieses Papst-Phänomen. Mögen andere vom Mega-Star oder himmlischen Event reden, letztlich ist die ungeahnte, fast globale Gefühlsregung dieser Tage mit schlichter Faszination vom Reinen und Ursprünglichen zu erklären.
In einem Kapitel, von dem wir nicht wissen, wann es geschrieben wurde, beschäftigt sich Johannes Paul II. mit den schweren körperlichen Leiden in den späten Jahren. Trotz großer Schwäche habe er größtes Vertrauen in den Herrn, dass er ihm alle notwendige Gnade gebe, sich nach seinem Willen jeder Aufgabe, jeder Prüfung und allen Leiden zu stellen, notiert der Papst.
Hier ist er wieder, der bescheidene Mensch und Diener Gottes: »Nach meinem Tod bitte ich um Heilige Messen und Gebete.«
Das ist alles - alles ist das.

Artikel vom 08.04.2005