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Union offen für Mindestlohn

Entscheidungen deutlich vor der Bundestagswahl 2006 gefordert

Berlin (ddp). Führende Unions-Politiker haben sich offen für die Einführung eines gesetzlichen Mindestlohns gezeigt. Der wirtschaftspolitische Sprecher der Unions-Fraktion, Karl-Josef Laumann (CDU), sagte gestern: »Ich bin für eine solche Diskussion sehr aufgeschlossen.«

Allerdings müsse man die Entwicklung auf dem Arbeitsmarkt noch eine Weile beobachten. »Noch sind polnische Arbeitnehmer auf dem deutschen Arbeitsmarkt kein Massenphänomen«, sagte er.
Der bayerische Ministerpräsident und CSU-Chef Edmund Stoiber hatte zuvor erklärt, angesichts des Zustroms billiger Arbeitskräfte aus den neuen EU-Staaten müsse man sich ernsthaft über einen gesetzlichen Mindestlohn Gedanken machen. Laumann begrüßte diesen Vorstoß.
Der Vorsitzende der Unions-Arbeitnehmergruppe im Bundestag, Gerald Weiß (CDU), sprach sich dafür aus, deutlich vor der Bundestagswahl Entscheidungen zu treffen. »Ein staatlicher Mindestlohn ist eine diskussionswürdige Alternative. Die einzige Alternative, die nicht geht, ist, nichts zu tun«, sagte Weiß.
Die Vize-Vorsitzende des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB), Ursula Engelen-Kefer erklärte: »Wenn die Wendung von Herrn Stoiber ernst gemeint ist, würde uns das sehr helfen.« Die Union könne sich mit den Gewerkschaften dafür stark machen, dass der Geltungsbereich des Entsendegesetzes über die Bauwirtschaft hinaus ausgedehnt wird. Das Gesetz sieht vor, dass ausländische Arbeitskräfte, die im Auftrag ihres ausländischen Arbeitgebers in Deutschland tätig werden, zumindest den untersten deutschen Tariflohn erhalten.
Auch der Vize-Vorsitzende der IG Metall, Berthold Huber, begrüßte Stoibers Vorschlag. Nötig seien Mindestlöhne innerhalb der Tarifautonomie, der sich von Branche zu Branche unterscheiden und vom Gesetzgeber dann jeweils für allgemein verbindlich erklärt werden sollten.
Der Chef der Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG), Franz-Josef Möllenberg, kritisierte Stoibers Vorstoß dagegen als Wahltaktik. »Damit versucht er offensichtlich, auf populistische Art Punkte zu sammeln.«
Die Union hat unterdessen die Aufforderung an die Regierung zurückgegeben, die Vereinbarungen des Job-Gipfels zum Abbau der Massenarbeitslosigkeit schneller umzusetzen.
Kanzleramtschef Frank-Walter Steinmeier könne nicht sagen, die Union wolle sich nicht auf die beschlossenen Maßnahmen einlassen, sagte CDU-Generalsekretär Volker Kauder gestern in der ARD. »Ohne uns hätte der Bundeskanzler nicht einmal die Vorschläge gemacht«, erklärte Kauder.
Steinmeier hatte am Mittwoch erklärt, die Union dürfe sich raschen Gesprächen über Steuersenkungen nicht verweigern und einen Zeitplan für die Umsetzung der Maßnahmen vorgestellt. Dazu erklärte Kauder: »Es sind drei Wochen rum und jetzt kündigt der Chef des Kanzleramtes an, dass sie mal an die Arbeit gehen.«
Auch CDU-Chefin Angela Merkel forderte gestern angesichts von fünf Millionen Arbeitslosen ein rasches Handeln. »Fünf Millionen Arbeitslose bedeuten, dass sieben bis acht Millionen Arbeit suchen und weitere zwei bis drei Millionen Angst um ihren Arbeitsplatz haben.« Das sei das Thema, das das gesamte Klima in Deutschland bestimme, erklärte Merkel.

Artikel vom 08.04.2005