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Bayern-Bosse rechnen
die Niederlage schön

Nur Kahn sah es anders: »Das war eine Erniedrigung«

London (dpa) 2:4 verloren. Das vorzeitige »Aus« in der Champions League droht. Aber eine Chance gibt es noch, doch die Bayern-Bosse malten sie Aussichten nnach der Niederlage gegen Chelsea etwas übertrieben in zu rosaroten Farben.

Oliver Kahn dagegen war auch am Morgen nach der Hinspiel-Pleite gegen die Millionen-Truppe immer noch entsetzt: »Wenn der FC Bayern in der Champions League 2:4 verliert, ist das eine Erniedrigung für uns. Das Gefühl muss uns die nötige Aggressivität geben, das Rückspiel zu gewinnen. Die Frage ist, ob es dann zum Weiterkommen reicht«, sagte der desillusionierte Kapitän.
Karl-Heinz Rummenigge und Uli Hoeneß hatten nur wenige Stunden zuvor den Last-Minute-Treffer von Michael Ballack als Steilvorlage für demonstrativ zur Schau gestellten Optimismus genutzt. »So ein glückliches Tor in letzter Sekunde signalisiert einen Trend. Dieses Ergebnis macht alle Tore auf. Mit 2:0 und 3:1 sind wir weiter«, meinte Manager Hoeneß.
Vorstands-Chef Rummenigge machte bei seiner Bankett-Ansprache im Atrium des Hotels »Conrad« eine Rechnung auf, die selbst die Edelfans erstaunte: »Wir haben zwar 2:4 verloren, aber mathematisch ist es egal, ob man 0:1 oder 2:4 verliert: Wir müssen im Rückspiel zwei Tore machen. Mit großem Willen ist das möglich.« Das Kontrastprogramm lieferte Abwehrspieler Willy Sagnol, der die Chancen auf den Halbfinaleinzug nur noch auf »10 bis 30 Prozent« taxierte.
Kollektive Einigkeit herrschte nur in einem Punkt: Ohne das Elfmetertor von Ballack wäre schon in London alles vorbei gewesen. So verbleibt ein »Riesenfunken Hoffnung« (Hoeneß) auf eine magische Fußball-Nacht im 100. Champions-League-Spiel der Bayern am 12. April im ausverkauften Münchner Olympiastadion. »Eigentlich waren wir schon weg, aber durch das glückliche Tor in der letzten Sekunde sind wir wieder zurück. Diese Chance müssen wir nutzen«, forderte Felix Magath nach seiner schwersten Niederlage als Bayern-Trainer.
»Ob man zwei Tore machen muss oder drei, ist ein großer Unterschied«, meinte Roy Makaay. »Es wird ein Kraftakt, aber wir können es schaffen, wenn wir einen guten Tag erwischen«, sagte Ballack. Die 90 Hinspiel-Minuten bewiesen jedenfalls, dass Chelsea das Fehlen seines gesperrten Trainers José Mourinho besser verkraftete, als die Bayern den Ausfall von Makaay, Pizarro und Martin Demichelis (Gelb-Sperre).
Eine Stunde lang hielten die Bayern auch an der Stamford Bridge mit. Als Bastian Schweinsteiger (52. Minute) das Führungstor von Joe Cole (4.) ausgleichen konnte, schien sich alles zum Guten zu wenden. »Aber dann haben wir einen taktischen Fehler gemacht. Wir wollten das 2:1 machen, dabei hätten wir uns zurückziehen sollen«, kritisierte Kahn. Die Abwehr brach auseinander, in kürzester Zeit trafen die überragenden Paul Lampard (60./70.) und Didier Drogba (81.) drei Mal. »Wir haben 20 Minuten lang so schlecht gespielt wie nie in den letzten drei, vier Monaten«, stellte Sagnol schonungslos fest.
Die Münchner waren der überlegenen Physis des Gegners nicht gewachsen. Mit langen, hohen Bällen auf Drogba, gegen den Robert Kovac auf verlorenem Posten stand, düpierte Chelsea die Bayern-Abwehr immer wieder. »Das war für mich spielentscheidend: Wir haben in den Luftduellen einfach kein Mittel gegen Drogba gefunden«, gestand Magath.

Artikel vom 08.04.2005