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Kurde wollte PKK-Führer
mit Gewalt freipressen

Landgericht: Angeklagter nur vermindert schuldfähig

Bielefeld (uko). Nur vermindert schuldfähig ist der Kurde gewesen, der in seiner Wohnung eine Prostituierte angeschossen und lebensgefährlich verletzt hat. Das erklärte am Donnerstag ein Sachverständiger vor dem Schwurgericht des Landgerichts.

Der 55-jährige Ibrahim Y. hatte zu Beginn des Prozesss ein umfassendes Geständnis abgelegt. Demnach war er in der Nacht zum 19. September 2004 mit zwei Detmolder Prostituierten in seine Wohnung Auf dem Niederen Esch gefahren. Dort war es nach einem Streit über die vereinbarten Leistungen zum Streit und den Pistolenschüssen gekommen. Die 25-jährige Sabina G. hatte sich blutüberströmt auf die Straße geschleppt und war von einem Passanten gefunden worden.
Gutachter Dr. Karl-Ernst von Schönfeld hielt den Angeklagten gestern nur für eingeschränkt schuldfähig. Der Mann habe vor der Tat Alkohol getrunken und Medikamente zu sich genommen.
Ibrahim Y., der mittlerweile die deutsche Staatsbürgerschaft hat, habe als Kurde einige »radikale Änderungen« seines Lebens erfahren. Im Grunde seines Herzen und trotz weitgehender Integration in Deutschland ist der Mann den kurdischen Traditionen und Problemen verpflichtet geblieben. Nicht nur, dass Ibrahim Y. bekannte, Mitglied eines »humanitären kurdischen Vereins« zu sein. Im Februar 1999 war er vom Amtsgericht Stuttgart wegen eines denkwürdigen Vorfalls zu fünf Monaten Bewährungsstrafe verurteilt worden. Als der damalige Führer der kurdischen Arbeiterpartei PKK, Abdullah Öcalan, zuvor vom türkischen Geheimdienst in Kenia festgenommen worden war, hatten in mehreren europäischen Städten Kurden diplomatische Vertretungen Griechenlands gestürmt, um Öcalan freizupressen. Irrtümlich glaubten diese PKK-Aktivisten, Griechenland trage Verantwortung für die Verhaftung ihres großen Führers. Ibrahim Y. hatte sich an dem Sturm auf ein griechisches Konsulat in Stuttgart beteiligt. Mit Gewalt hatten die Kurden seinerzeit die Türen aufgebrochen und sich beim späteren Polizeieinsatz massiv zur Wehr gesetzt.
Der Prozess wegen versuchten Totschlags soll nun am kommenden Donnerstag fortgesetzt werden. Dann werden zunächst die Plädoyers gehalten.

Artikel vom 08.04.2005