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Die Landschaft seiner norddeutschen Heimat prägte Noldes Bilder zeitlebens. Typisch ist diese Farblithographie einer Windmühle von 1913.

Natur und Mensch
in einem wilden
Meer aus Farbe

Aquarelle entstanden in einer dunklen Zeit

Von Ruth Matthes
Herford (WB). Seit langem hat sich der Herforder Kunstverein bemüht, Werke von Emil Nolde in das Daniel-Pöppelmann-Haus zu holen. Pünktlich zum 50-jährigen Vereinsjubiläum ist es den Kunstfreunden nun gelungen: Bis zum 26. Juni zeigen sie die Ausstellung: »Emil Nolde - ÝUngemalte BilderÜ und Druckgraphik«.

Erstmals sind die kleinformatigen Aquarelle, die der Expressionist von 1938 bis 1945 schuf, in der Region zu sehen. Die Nolde-Stiftung Seebüll stellte den Herfordern 52 der mehr als 1300 »Ungemalten Bilder« zur Verfügung. Nolde, der bei der Ausstellung »Entartete Kunst« gleich mit 50 Werken vertreten war und 1941 ein Malverbot erhielt, nannte sie so, weil sie eigentlich nicht gemalt sein durften. Sicherheitshalber versteckte er sie bei Freunden.
Da Nolde auch kein neues Papier kaufen durfte, nutzte er kleinste Formate, um seinem Schaffensdrang nachgeben zu können. Aus Materialnot zerschnitt er große Aquarelle und ließ auf dem farbigen Untergrund neue Bildwelten entstehen. Auf diese Weise entstanden farblich höchst intensive Figurengruppen und Landschaften, die er teilweise später in Ölgemälden ausführte.
Bisweilen bemalte er die kleinen Blätter -Êer benutzte alles vom durchsichtigsten Papier bis zum dicken Löschblatt -Êvon beiden Seiten, um so besondere Farbschattierungen und -wirkungen zu erzielen. Die technische Bandbreite der gezeigten Bilder reicht von Landschaftsimpressionen, die lediglich aus ineinander verschwimmenden Farbfeldern bestehen, bis zu beinahe naturalistischen Figurengruppen. In einigen Fällen hat Nolde den Paaren auch nachträglich klare Konturen verliehen.
Die Aquarelle, die jeweils zu viert in einem Rahmen stecken, hat Prof. Dr. Theodor Helmert-Corvey, Kurator des Kunstvereins, im gesamten Neubauteil des Pöppelmann-Hauses verteilt. Er hat sie jeweils mit den insgesamt 47 Radierungen, Holzschnitten und Lithographien kontrastiert, was der Wirkung der Werkgruppen zu Gute kommt.
Nolde erweist sich in allen Techniken als Meister. Kraftvoll sind seine finsteren Holzschnitte (»Der Prophet«), fein bis ins kleinste Detail seine Radierungen (»Hamburg, Freihafen«). In ungewöhnlich großen Formaten widmete er sich der Lithographie. Die gezeigten Farblithographien - darunter Mühlen seiner Heimat und Frauendarstellungen -Ê nehmen die extreme, vom Naturalismus weit entfernte Farblichkeit der »Ungemalten Bilder« vorweg.
Wenn die Techniken auch sehr unterschiedlich sind und die Druckgraphiken den Aquarellen zeitlich weit vorausgehen, so besteht in der Motivik doch eine starke Verwandtschaft. In Meer- und Marschlandschaften zeigt sich Noldes Verbundenheit mit seiner heimischen Landschaft, groteske Szenen tauchen auf, mysteriöse Wesen, die der Phantasie des Künstlers entsprungen sind, tummeln sich hier, ebenso wie Besucher des Berliner Nachtlebens oder Figuren, die in ihrer Überzeichnung von der so genannten »primitiven Kunst« der Südseevölker inspiriert sind. In den Jahren 1913 und 1914 besuchte Nolde Neu-Guinea - wie seine »Brücke«-Kollegen auf der Suche nach der »reinen Ursprünglichkeit«. Hinzu kommen Auseinandersetzungen mit religiösen Themen. Die »Drei Könige« sind gleich mehrfach vertreten.
Mit dem Künstler höchstpersönlich macht der Besucher gleich zu Beginn der Ausstellung Bekanntschaft. Eine Reihe von Selbstportraits in unterschiedlichen Techniken aus dem ersten Jahrzehnt des 20. Jahrhunderts gibt einen ersten Einblick in seine Kunst, die in den »Ungemalten Bildern« des Spätwerks - trotz aller widrigen Umstände - einen Höhepunkt fand.

Artikel vom 13.04.2005