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»Zu viel übereinander geredet«

Podiumsdiskussion zum Thema Religion und Integration im Rathaussaal

Brackwede (ho). »Es wird oftmals zu viel übereinander geredet, statt einen Dialog miteinander zu führen«. In dieser Aussage waren sich Publikum und Teilnehmer des »interkulturellen Dialogs« unter dem Thema »Fördert oder verhindert Religion die Integration"? im Brackweder Rathausaal einig.Moderierte die Veranstaltung souverän: Marlies Pelster-Wend vom OWL-Regionalrat.
Eingeladen zu der Podiumsdiskussion hatte die SPD-Arbeitsgemeinschaft »Immigration«. Deren Leiter Kadin Uzunyayla griff in seinem Begrüßungsstatement die Sorgen und Nöte vieler auf. »Der Islamismus macht uns Angst, aber es ist eben nicht die Religion, sondern das, was in deren Namen geschieht«. Der Begriff Integration sei derzeit ständig präsent. Verbunden mit oft negativen Emotionen werde das Thema diskutiert. Zudem seien Informationen zu den verschiedenen Religionen vielfach unverständlich oder würden missverständlich interpretiert. »Dies zusammen führt zu Vorurteilen und verhindert das friedliche Zusammenleben aller«.
Marlies Pelster-Wend, die die Diskussion moderierte, unterstrich den Wert derartiger stadtteilbezogener Veranstaltungen. »Offen, konstruktiv und kritisch miteinander reden führt zu mehr aktiver Kommunikation, fördert den Dialog und die Toleranz«. In diesem Sinne äußerten sich auch Helga Gießelmann (SPD Bielefeld), Mehmet Sabanci (Vorstand der Vatan-Moschee Brackwede), Cemalettin Özer (Alevitische Gemeinde Bielefeld), Sabri Sansar (Yezidische Gemeinde Bielefeld) und Eberhard Hahn (Evangelischer Kirchenkreis).
Letzterer bedauerte, dass die Kirchen den Ruf hätten, sich nur um sich selbst zu kümmern. »Diese Feststellung ist nicht unberechtigt. Vorurteile, die in der Gesellschaft verankert sind, gibt es auch in den Gemeinden«. Um so wichtiger sei es, den Dialog in der Stadt voran zu bringen und Fremdenangst abzubauen. »Nicht der Glaube, sondern der Mensch sollte im Mittelpunkt stehen«. Hahn wünschte sich, »dass auch die SPD offensiver für eine multikulturelle Gesellschaft eintritt und klar und deutlich Stellung bezieht«. Er schäme sich für den Begriff »Einwanderung«, »Zuwanderung« trage den Gegebenheiten besser Rechnung. Viele forderten mehr Integration, seien aber nicht bereit, etwas dafür zu geben.
Helga Gießelmann bedauerte, dass die Integration verschiedener Religionen und Kulturen trotz vieler positiver Ansätze immer noch nicht gelungen sei. Die Politikerin verurteilte aber auch unmissverständlich das »nicht integrationsfördernde Verhalten bestimmter Gruppen«, etwa der Schulverweigerer aus religiösen Gründen, sah in dem sich Abschotten eine Gefahr. »Intoleranz dürfen wir nicht dulden, unsere Gesetze müssen von allen eingehalten werden«.
Monika Pelster-Wend stellte die Frage nach gemeinsamen Werten, die Bereitschaft zum Dialog dürfe nicht hohl sein. »Unter dem Deckmantel des Islam gibt es Dinge, mit denen ich absolut nichts zu tun haben möchte«, verurteilte sie Anschläge, Ehrenmorde oder die Behandlung von Frauen. Fundamentalismus schaffe Abstand und Differenz.
Cemalettin Özer gab zu, dass die Frauenrolle oft stark traditionell geprägt sei. Dennoch hätten alle Religionen das gleiche Ziel: gute Menschen in einer guten Welt. »Es gibt viele Gemeinsamkeiten mit dem Christentum, unterschiedlich seien nur die Wege, die zum Ziel führten. »Wir sollten nicht so viel über Vorurteile und Ängste reden, sondern Visionen für ein gemeinsames Leben entwickeln«.
Mehmet Sabanci lud alle ein, sich selbst ein Bild vom Leben in einer islamischen Gemeinde zu machen. »Unsere Moschee in Brackwede ist immer offen«. Gelebter Islam bedeute Sicherheit, Frieden und Hingabe. Sabri Sansar hob die verschiedenen Glaubensrichtungen auch innerhalb des Islam hervor. »Genau wie es bei den Christen katholische, evangelische oder andere Glaubensrichtungen gibt, haben auch wir unterschiedliche Religionsgemeinschaften«. Yezidischen Gemeindemitglieder aber hätten beispielsweise in Kurdistan keine Möglichkeit gehabt, in einen Dialog einzutreten. »Gut denken, reden und handeln sollte die Maxime aller Religionen seien«. Ein friedliches Zusammenleben sei möglich, wenn man aufeinander zugehe und voneinander lerne.
Je schlechter die allgemeine wirtschaftliche Situation sei, desto schwieriger werde die Integration, meinte ein Handwerksmeister aus dem Publikum. »Wenn Gruppen- und Einzelegoismus so bleiben, sehe ich schwarz. Dabei können sich alle gut ergänzen, um eine gemeinsame Zukunft zu gestalten«.
Und ein islamischer Arzt, der seit langem in Bielefeld praktiziert, hoffte, »dass das Thema Integration nicht nur zeitbedingt aktuell ist, weil Wahlen sind«. Die Politik habe niemals ein Interesse daran gehabt, einen Dialog zu führen. »Jetzt endlich ist das ein Thema«, plädierte er für einen »runden Tisch«. Erschöpfend konnten die vielen Fragen nicht behandelt werden, zumindest aber gab es viele Denkanstöße.

Artikel vom 08.04.2005